Merkel und Macron: Die Streitpunkte
19. April 2018Sie reden sich mit "lieber Emmanuel" und "chère Angela" an und pflegen ein enges, freundschaftliches Verhältnis - Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident Emmanuel Macron. Sie vertrauen einander, machen aber auch keinen Hehl aus ihren Differenzen. Beide wissen: Ohne eine gemeinsame Position von Deutschland und Frankreich geht in Europa nichts voran. Vor allem in der europäischen Wirtschafts- und Finanzpolitik suchen beide noch nach Kompromissen:
Reform der Eurozone
Macron will die Eurozone krisenfester machen und fordert daher einen "Fahrplan", um "in Schritten" voranzukommen. Zwar hat sich auch die neue Bundesregierung einen "Aufbruch für Europa" auf die Fahnen geschrieben und sich grundsätzlich bereit erklärt, höhere Beiträge zum EU-Haushalt zu leisten. Dennoch ist die Skepsis in großen Teilen der Bundesregierung groß.
Das Argument der Gegner: Macrons Pläne seien nicht in Deutschlands Interesse, denn sie zwängen deutsche Steuerzahler, die Rechnung für andere Länder zu begleichen. Eine solche "Transferunion" sei nicht mit dem Grundgesetz vereinbar, widerspreche dem Willen der Wähler und auch dem Willen vieler nördlicher Euroländer.
Zwei Punkte, die Macron besonders wichtig sind, stoßen in Deutschland auf Widerstand:
Gemeinsames Budget für die Eurozone
Mit einem gemeinsamen Haushalt könnten die Länder der Eurozone bei Wirtschaftskrisen gegensteuern und Zukunftsinvestitionen finanzieren, so Macron. Woher das Geld genau kommen soll, ist noch unklar. Macron hat zudem oft davon gesprochen, einen Finanzminister für die Eurozone zu installieren.
"Wir lehnen diesen EU-Finanzminister ab", sagte Alexander Dobrindt, Landesgruppenchef von Merkels Koalitionspartner CSU, am Dienstag nach Macrons Rede. Und bevor über ein Budget für die Eurozone gesprochen wird, müsse man sich auf dem EU-Gipfel im Juni erst einmal auf das Budget für die gesamte EU einigen. Nach dem Ausstieg der Briten wird es für die Mitglieder teurer.
Gemeinsame Haftung für Spareinlagen
Als Reaktion auf die Finanzkrise wurde 2014 die Europäische Bankenunion beschlossen. Sie sollte drei Pfeiler haben, hat aber erst zwei: eine europäische Bankenaufsicht und ein Mechanismus für die Abwicklung von Pleite-Banken. Macron drängt auf die noch fehlende gemeinsame Einlagensicherung, um das Geld europäischer Sparer zu schützen.
Auch hier zögern die Deutschen. Noch im März lobte der neue Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) Macrons Pläne. Doch schon im April ließ er durchblicken, dass die Einlagensicherung so schnell nicht kommen wird. Erst müssten die europäischen Banken ihre Risiken reduzieren und faule Kredite loswerden. Diese Haltung hatte schon sein Vorgänger Wolfgang Schäuble (CDU) vertreten.
Sind Kompromisse möglich?
Während Macron eine starke Stellung im Staat hat und quasi "durchregieren" kann, muss Merkel die Positionen in ihrer Regierungskoalition stets mit berücksichtigen. Widerstand regt sich vor alle in ihrer eigenen Partei, der CDU, und in der bayerischen Schwesterpartei CSU. Ihre Blockadehaltung begründen sie inhaltlich ("nicht im deutschen Interesse"). Zudem haben sie Angst, die Opposition zu stärken, denn in Parteien wie der AfD und der FDP ist der Widerstand gegen eine Transferunion sogar noch größer.
Die Deutschen können zudem darauf verweisen, dass auch andere nördliche Euroländer wie die Niederlande oder Finnland wenig von Macrons Plänen halten. Sie sind gegen eine engere Währungsunion und lehnen es ab, noch mehr finanzielle Verantwortung zu übernehmen für die Südländer, als deren Sprachrohr Frankreich empfunden wird.
Merkel betonte, dass die Reform der EU weit mehr umfasse als die Reform der Eurozone. "Wir werden zum Juni hin mit Frankreich gemeinsame Lösungen finden", gibt sie sich optimistisch und spricht von einem "starken Paket", das beide Länder gemeinsam auf die Beine stellen würden.
Wie steht es sonst um die deutsch-französischen Beziehungen?
Die sind bereits eng, sollen aber weiter vertieft werden. Ein Meilenstein der Aussöhnung zwischen den einstigen "Erbfeinden" war der Elysée-Vertrag, den der französische Präsident Charles de Gaulle und Bundeskanzler Konrad Adenauer am 22. Januar 1963 unterzeichneten. Sie vereinbarten verbindliche Konsultationen zwischen beiden Regierungen und einen breit angelegten Jugendaustausch, an dem seither mehr als acht Millionen junge Deutsche und Franzosen teilgenommen haben.
55 Jahre später soll der Freundschaftsvertrag neu gefasst und erweitert werden: Geplant ist unter anderem eine engere Zusammenarbeit in den Grenzregionen und im Bereich der Bildung, kurz gesagt: mehr Austausch zwischen den Bürgern beider Länder. Bis Ende des Jahres soll der neue Elysée-Vertrag fertig sein.