Mission in Polen
16. März 2007Zum Auftakt ihrer zweiten Reise in das Nachbarland Polen am Freitag (15.3.) forderte die Bundeskanzlerin die Regierung in Warschau zum Einlenken in den größten Streitthemen auf. "Europa darf sich niemals spalten lassen", sagte Merkel mit Blick auf die Konflikte in der Sicherheitspolitik und bei der Energieversorgung. Dies gelte ganz besonders im Verhältnis "zu unserem Verbündeten USA und unserem großen Nachbarn Russland". "Nur wenn Europa zusammensteht, dann wird es auch von seinen Partnern in der Welt wirklich ernst genommen." Zudem warnte Merkel vor einem Scheitern der europäischen Verfassung: "Das wäre ein historisches Versäumnis."
Christlicher Rahmen
In ihrer Rede ging Merkel indirekt auf die polnische Forderung nach einer Betonung der christlichen Tradition in der künftigen EU-Verfassung ein. Die Grundwerte Europas beruhten "ganz wesentlich auf dem christlichen Menschenbild". Mit Blick auf polnische Ängste vor europäischer Dominanz versicherte sie, nationale Zuständigkeiten blieben gewahrt und müssten gewahrt bleiben. Die EU müsse sich aber "einen Rahmen geben, der ihre Handlungsfähigkeit auf Dauer sichert".
Keine Unterstützung für die Preußische Treuhand
Merkel ging in ihrer Rede an der Warschauer Universität auch auf polnische Ängste vor einer Neuinterpretierung der deutschen Geschichte im Zweiten Weltkrieg ein und erteilte den Entschädigungsklagen der Vertriebenen-Organisation "Preußische Treuhand" gegen Polen eine klare Absage. "In meiner Bundesregierung haben sie keinerlei Unterstützung. Sie werden sie auch nie bekommen." Dennoch unterstütze sie als Bundeskanzlerin würdevolles Gedenken von Flucht und Vertreibung. Für ihre deutlichen Worte erntete Merkel vor Professoren und mehreren hundert Studenten großen Beifall.
Merkel würdigte die polnische Demokratiebewegung für ihre Rolle beim friedlichen Sturz des Kommunismus, der schließlich zur europäischen Einigung geführt habe. "Ohne die Solidarnosc wäre auch mein persönlicher Lebensweg anders verlaufen", sagte die in der DDR aufgewachsene Regierungschefin.
Merkel will Zeichen setzen
Bereits nach einem Treffen mit dem polnischen Ministerpräsidenten Jaroslaw Kaczynski auf dem militärischen Teil des Warschauer Flughafens hatte Merkel zu Beginn ihres Besuches die Bedeutung guter Beziehungen hervorgehoben. Polen sei ein "wichtiger Nachbar", sagte sie. Sie wolle mit ihrer Reise "Zeichen setzen" - als Bundeskanzlerin seien ihr die Beziehungen zu Polen wichtig, als EU-Ratspräsidentin wolle sie den Meinungsaustausch, um europäische Probleme gemeinsam zu lösen.
Kaczynski betonte nach dem "kurzen aber wirklich gelungenen Gespräch": "Wir gehen vorwärts, wir lösen bestimmte Probleme", sagte der Regierungschef mit Blick auf EU-Verfassung und deutsch-polnische Nachbarschaftsprobleme. Staatspräsident Lech Kaczynski, der Zwillingsbruder des Regierungschefs, hoffte auf "fruchtbare Gespräche". Er flog mit Merkel am späten Nachmittag nach Gdansk.
Privataudienz an der Ostsee
Den restlichen Teil ihres Polen-Besuchs verbringt Merkel in Jurata in der Sommerresidenz des Präsidenten auf der Ostsee-Halbinsel Hela. In der eher privaten Atmosphäre an der Ostsee wird es voraussichtlich um die EU-Verfassung und deutsch-polnische Themen, aber auch um das von den USA geplante Raketenabwehrsystem in Polen und Tschechien gehen. "Ich glaube, die Zeit am Meer wird nicht verloren, sondern fruchtbar sein", sagte Kaczynski. Merkel sprach von einer gemeinsamen Verantwortung beider Regierungen. In einer besonderen Geste lässt Merkel sich bei ihrer Reise von ihrem Mann Joachim Sauer begleiten, der öffentliche Auftritte in der Regel vermeidet. (kas)