Merkel sichert Sahel-Ländern Unterstützung zu
1. Mai 2019Burkina Faso stehe auch angesichts eines Bevölkerungswachstums von drei Prozent und der sich verschlechternden Sicherheitslage vor großen Herausforderungen, sagte Angela Merkel nach einem Gespräch mit Staatspräsident Roch Marc Kaboré in Ouagadougou, der Hauptstadt von Burkina Faso. Deutschland stehe bei der Kooperation im Sicherheitsbereich an der Seite des westafrikanischen Landes. Waffenlieferungen lehnte die Kanzlerin aber weiterhin ab.
Merkel hob hervor, Unruhen und die schlechtere Sicherheitslage hätten auch mit der Krise in Libyen und der Entwicklung im Sudan zu tun. Kaboré verlangte von Europa eine gemeinsame Haltung zur Krise in Libyen. Die libysche Frage müsse dringend gelöst werden, sonst werde sich die Bedrohung noch weiter verschärfen - etwa durch den Waffenschmuggel in die Region.
Zehn Millionen Euro für die Polizei
Die Kanzlerin sagte Burkina Faso auch weitere Unterstützung zur Stabilisierung der Lage zu. Man werde dem westafrikanischen Land beim Kapazitätsausbau der Polizei und der Gendarmerie helfen und für deren Ausstattung etwa 10 Millionen Euro zur Verfügung stellen, kündigte Merkel an. Die Bundesregierung biete auch Beratung durch die Bundeswehr im Umfang von 7 bis 10 Millionen Euro an - erste Verhandlungen dazu seien angelaufen.
Dies gelte auch angesichts der schwierigen Lage in Teilen des Landes mit zahlreichen Schulschließungen. In der Entwicklungszusammenarbeit werde Deutschland 5,5 Millionen Euro mehr als bislang geplant zur Verfügung stellen, besonders zur Bewältigung des Klimawandels, beim Wassermanagement und der Verbesserung der Bodenqualität.
Mit dem Besuch in den Sahel-Krisenländern Burkina Faso, Mali und Niger will die Bundeskanzlerin ein Zeichen der Solidarität mit den von Terror und Instabilität bedrohten Demokratien in Westafrika setzen. Im Mittelpunkt stehen Gespräche zur Sicherheit und Stabilisierung der Sahelregion, die in den letzten Jahren zu einem Schwerpunkt der deutschen Afrika-Politik geworden sei, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert vor dem Abflug. Deutschland helfe vor allem bei Landwirtschaft, Bewässerung und Anpassung an den Klimawandel.
Treffen mit Sahel G5-Ländern
Bei den Beratungen mit den Präsidenten der sogenannten G5-Länder des Sahel dürfte die Frage im Mittelpunkt stehen, wie die Effizienz der G5-Anti-Terror-Truppe verbessert werden kann. Nach Expertenangaben geht die Truppe, die bis zu 5000 Soldaten umfassen soll, bislang wenig professionell vor.
Merkel dürfte ihre Gesprächspartner ermuntern, mehr Eigenverantwortung für die Sicherheitslage sowie die soziale und wirtschaftliche Entwicklung zu übernehmen. Zu den G5-Staaten gehören neben Merkels Reiseländern auch Mauretanien und Tschad. Vor der Ankunft Merkels versammelten sich die Präsidenten zu einem G5-Gipfel, wie Kaboré twitterte.
Auch angesichts des Migrationspotenzials hat die Entwicklung der Region seit längerem hohe Priorität für die EU und Deutschland. Seit der Flüchtlingskrise 2015 ist Afrika immer stärker zu einem Schwerpunkt der Außenpolitik Merkels geworden. Schon im Herbst 2016 war sie in der Region, besuchte damals neben Niger und Mali auch Äthiopien. Seither hat es zahlreiche weitere Afrikareisen sowie Besuche afrikanischer Präsidenten bei Merkel in Berlin gegeben.
Die Lage in den Kern-Sahelstaaten hat sich allerdings weiter verschlechtert. Die Länder leiden unter erheblichen Entwicklungsrückständen, einem schlechten Bildungsniveau und einer teils archaischen Gesellschaftsstruktur. Im jüngsten Entwicklungsindex der Vereinten Nationen liegt Mali auf Platz 182, Burkina Faso auf 183 und Niger mit 189 auf dem letzten Rang. Terrorismus verknüpft sich nach Expertenangaben in den Ländern zudem mit ethnischen und sozialen Konflikten. Wachstumsraten zwischen 5 und 6 Prozent werden von einem Bevölkerungswachstum zwischen 3 und 4 Prozent aufgefressen. Niger hat mit etwa 4 Prozent das weltweit höchste Bevölkerungswachstum.
Deutschland unterstützt die Länder der Sahel-Region im Zeitraum 2017 bis 2020 mit 1,7 Milliarden Euro. Davon wird eine Milliarde Euro für Entwicklungshilfe bereitgestellt, der Rest für das dortige Militär, Infrastruktur und Ausbildung, zivile Krisenprävention und humanitäre Hilfe.
Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) drängt weiter auf mehr Geld für den Entwicklungsetat. Angesichts der Finanzplanung von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) seien auch Entwicklungsprojekte in Afrika gefährdet, warnte Müller in der "Passauer Neuen Presse". Die Hilfe habe auch Einfluss auf Flüchtlinge und Migranten. "Wenn wir die Probleme in Afrika nicht lösen, werden sie zu uns kommen. Wir können mit unseren Mitteln vor Ort hundertmal so viel Wirkung erzielen wie bei uns, wenn die Flüchtlinge zu uns gekommen sind", sagte Müller.
"Gemeinsame Aslyzentren"
FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg forderte eine stärkere Zusammenarbeit Deutschlands und der EU mit den Transitstaaten von Migration in Afrika. "Dazu gehört nach dem Vorbild des französischen Modellversuchs der Aufbau gemeinsamer Asylzentren und auch mehr Unterstützung bei der Bekämpfung von Schlepperbanden und der Rückführung von Migranten in ihre Herkunftsländer", sagte Teuteberg, die auch migrationspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion ist, der Deutschen Presse-Agentur.
Die Linken-Chefin Katja Kipping forderte ein Ende der sogenannten EU-Migrationspartnerschaften in der Region. Statt die Migration nach Europa zu regulieren, hätten die Partnerschaften "den freien Personenverkehr innerhalb der westafrikanischen Staaten eingeschränkt" und damit auch die Handelsbeziehungen vor Ort beeinträchtigt, sagte die Linken-Chefin. Die Migrationskontrollen in Mali und Niger hätten auch nicht die Ausbreitung von Dschihadisten in der größeren Sahara begrenzt, kritisierte Kipping weiter.
Anstieg islamistischer Gewalt
Der Büroleiter der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung in der malischen Hauptstadt Bamako, Thomas Schiller, forderte eine stärkere Stabilisierung der Region nicht nur vor dem Hintergrund der Migration. Die Sicherheitslage habe sich weiter verschlechtert, die Probleme konzentrierten sich mittlerweile auf die Grenzregion des Dreiländerecks Mali - Burkina Faso - Niger und griffen auf die anderen Länder über. So wurden 2015 in Burkina Faso 4 Angriffe islamistischer Terroristen registriert, 2018 waren es 160.
Eines der Hauptprobleme sei die geringe staatliche Präsenz, sagt Schiller. Es könne jedoch keine Rede davon sein, dass der Staat zusammengebrochen sei - es habe ihn in manchen Landesteilen nie gegeben, ist sein ernüchterndes Fazit.
Deutsche Soldaten sind in Mali bei der EU-Trainingsmission EUTM und der UN-Friedenstruppe MINUSMA im Einsatz. Die Stabilisierungsmission ist für die Bundeswehr knapp hinter Afghanistan der zweitgrößte Auslandseinsatz, er gilt als ihr gefährlichster. Merkel will an diesem Donnerstag das Camp Castor in Gao besuchen, wo der Großteil des deutschen MINUSMA-Kontingents stationiert ist. Die UN-Truppe ist etwa 15.000 Mann stark, Deutschland stellt knapp 850 Soldaten.
MINUSMA soll Waffenruhevereinbarungen, vertrauensbildende Maßnahmen und einen politischen Dialog unterstützen. Mit dem Bundeswehr-Brigadegeneral Peter Mirow leitet Deutschland zudem seit November zum dritten Mal die EU-Ausbildungsmission (EUTM) in Mali. Die gut 600 Mann starke Truppe trainiert Malis Armee und in Teilen die G5-Eingreiftruppe.
Der Norden Malis war 2012 nach einem Militärputsch vorübergehend in die Hände islamistischer und anderer Rebellengruppen geraten. In Mali, Burkina Fasos und Niger sind Islamisten aktiv, etliche haben sich den Terrororganisationen Al-Kaida und "Islamischer Staat" (IS) angeschlossen.
stu/kle (dpa, afp)