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Mercosur vor der Zerreißprobe?

Petra Tabeling 14. August 2002

Rezession, Geldverfall und politische Unruhen: Die Krisen in den Mitgliedstaaten des südamerikanischen Handelsabkommens Mercosur gefährden die Wirtschaftsbeziehungen mit Europa. Auch die EU blockt: mit Agrarreformen.

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Forderung: Mehr Fleisch aus Südamerika auf Europas TellernBild: Bilderbox

Die lateinamerikanische Wirtschaft steckt in einer tiefen Krise: Immer mehr Staaten geraten in die Abwärtsspirale aus Rezession, Inflation und politischen Unruhen. Die Wirtschaftsflaute belastet auch die ohnehin gespannten Beziehungen der südamerikanischen Freihandelszone Mercosur zur EU.

In den elf Jahren seit seiner Gründung hat die Freihandelszone Mercosur bereits zahlreiche Höhen und Tiefen erlebt. Doch derzeit steht es um das Bündnis aus Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay besonders schlecht. Die wirtschaftlichen und politischen Dauerkrisen in Argentinien und Paraguay belasten die Organisation derart, dass Kritiker bereits über eine Auflösung des Mercosur spekulieren.

Erosion des Mercosur

"Ich denke nicht, dass es so weit geht, dass sich der Mercosur auflöst, aber man kann in den letzten Monaten eine Erosion beobachten," sagt Sigrid Zirbel, Südamerika-Expertin des Bundesverbandes der deutschen Industrie (BDI), im Gespräch mit DW-WORLD. Deshalb sei jetzt die Europäische Union gefordert. Auf dem Treffen der EU-Handelskommissare Patten und Lamy am Dienstag (23. Juli 2002) in Rio de Janeiro mit Vertretern der Mercosur-Staaten sollte die Europäische Union endlich die Einfuhr von Agrargütern erleichtern. Bereits im Mai waren die Verhandlungen über Agrarerleichterungen zwischen EU und Mercosur gescheitert.

Neben den Mercosur-Staaten drängt auch die deutsche Wirtschaft auf eine Liberalisierung des Handels. So erwartet der BDI durch eine Handelsreform deutliche Vorteile für deutsche Unternehmen. "Mercusor ist für uns der wichtigste Handelspartner innerhalb Lateinamerikas," betont BDI-Expertin Zirbel.

Große Anfangserfolge

Dabei konnte das Wirtschaftsbündnis Mercosur (Mercado Común del Cono Sur), das nach dem Vorbild der europäischen Gemeinschaft aufgebaut wurde, beachtliche Anfangserfolge vorweisen. Der Handel zwischen den Mitgliedsstaaten vervierfachte sich in den ersten Jahren nach der Gründung 1991. Neben der EU, der Nordamerikanischen Freihandelszone (NAFTA) und dem Verband Südostasiatischer Staaten (ASEAN) gehört der Mercosur inzwischen zu den vier größten Wirtschaftsblöcken der Welt. 1996 traten Chile und 1997 Bolivien dem Bündnis als assoziierte Mitglieder bei. Doch der Weg zur Etablierung einer Freihandelszone, einer Zollunion und eines gemeinsamen Marktes bleibt steinig.

Denn die Verhandlungen mit der EU verlaufen zäh, weil umstritten ist welche Produkte aus Mercosur-Staaten ungehinderten Zugang zum europäischen Markt haben sollen. Bisher wurden vor allem Rohstoffe, aber auch Holzprodukte und Tee in die EU-Länder exportiert. Aber auch die Agrarprodukte geraten durch steigende Agrarsubventionen der Industrieländer immer stärker unter Druck, klagen Mercosur-Vertreter. So verhindere die EU durch Quoten und Zölle, dass mehr argentinisches Fleisch auf europäische Teller komme. Genau das will die EU-Agrarlobby verhindern, denn sie sieht dadurch ihre Absatzchancen gefährdet.

Reform des Agrarmarktes

Für den BDI hängt eine Lösung des Handelskonflikts besonders von der EU ab. "Wir fordern eine schnelle und umfassende EU-Agrarreform, weil wir der Auffassung sind, dass das bestehende Agrarmarktsystem infiltriert, wettbewerbsverzerrend und anachronistisch ist", betont BDI-Südamerika-Expertin Zirbel.

Ohne eine EU-Agrarreform seien Fortschritte im Handel zwischen Mercosur und EU praktisch unmöglich. Positive Impulse auf dem Weg zu einer Handelsliberalisierung erhofft sich Zirbel von Brasilien. Das Land hat kürzlich die Ratspräsidentschaft des Mercusor von Argentinien übernommen und wird sich dem Thema wohl intensiver widmen als der krisengebeutelte Nachbar.