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PolitikEuropa

Wer Orban & Co. als Partner hat, braucht keine Feinde

Barbara Wesel Kommentarbild App *PROVISORISCH*
Barbara Wesel
16. November 2020

Ungarn und Polen blockieren den EU-Haushalt, weil ihnen die Verknüpfung mit der Rechtsstaatlichkeitsklausel nicht passt. Dabei ist eine solche Regel schon lange fällig, meint Barbara Wesel.

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Kombobild Orban und Kaczynski
Bild: Attila Kisbenedek/Janek SkarzynskiAFP/Getty Images

Schon die Rhetorik aus Warschau und Budapest ist eine Unverschämtheit. Die polnische Regierung schwafelt von "Versklavung" durch die EU, weil sie sich in die politischen Belange Polens einmischen wolle. Der ungarische Premier Viktor Orban greift noch tiefer in die Schmutzkiste und vergleicht die europäische Union mit der Sowjetunion, weil sie seinem Land Vorschriften machen wolle. Beide behaupten ja immer, sie würden ihre kommunistische Vergangenheit verabscheuen - in Sachen Propaganda aber leben sie ganz in der alten Tradition.

Lest gefälligst die Verträge!

Mit ihren haarsträubenden Behauptungen begründen Polen und Ungarn ihr Veto gegen den EU-Haushalt, der mit der neuen Rechtstaatlichkeitsklausel verbunden ist. Sie soll künftige Auszahlungen aus dem europäischen Haushalt an die Einhaltung demokratischer Regeln binden. Endlich, muss man da sagen, denn eine solche Regelung ist seit langem überfällig.  

Ungarns Premier Viktor Orban, an Chuzpe seinem polnischen Kollegen immer noch eine Nasenlänge voraus, behauptet gleichzeitig, er habe schlichtweg einen Anspruch auf Zahlungen aus Brüssel, egal was er zu Hause tue und lasse.

In Warschau wird die gleiche Anspruchshaltung gepflegt. Brüssel wird als Hauptkasse betrachtet, wo man sich das Geld abholt, mit dem man die Wähler anlocken und die Parteigenossen durch Geschäftchen gefügig halten kann. Polen hat als einer der größten Profiteure der EU in der letzten Haushaltsperiode rund 11 Milliarden Euro Nettozahlungen pro Jahr erhalten. Ähnliches gilt in geringerem Umfang für Ungarn.

Barbara Wesel Studio Brüssel
Barbara Wesel, DW-Studio BrüsselBild: DW/G. Matthes

Beide aber tun so, als ob mit diesen Zuwendungen keine Pflichten verbunden sind. Sie sollten endlich einmal die Beitrittsverträge zur Europäischen Union lesen, die sie 2004 unterschrieben haben. Das steht drin, dass EU-Mitglieder an demokratische Grundsätze gebunden sind. Und die sind weder vage, noch auslegbar oder gar verhandelbar. Auf jeden Fall gehören die Unabhängigkeit der Justiz und die Pressefreiheit dazu, die beide in Ungarn seit langem ausgehebelt sind, wobei Polen  zunehmend auf diesem Weg folgt.

Die EU ist selber schuld

Durch das Veto gegen den Haushalt wird die EU wieder in den Krisenmodus gestürzt. Dabei war schon die Einigung auf den Corona-Fonds schwierig genug. Jetzt aber fällt ihr auf die Füße, dass sie jahrelang hilflos und desinteressiert dem Aufbau autoritärer Strukturen erst in Ungarn und dann in Polen zugeschaut hat. Die Gleichschaltung der Medien in Ungarn ist ja nicht über Nacht passiert, sondern scheibchenweise. Gerade jetzt macht Orban sich daran, die letzte unabhängige Website und den letzten freien Radiosender auszuschalten.

Ähnliches gilt für die Demontage der unabhängigen Justiz:  Alle paar Monate wurde die Freiheit der Richter durch ein neues Gesetz eingeschränkt, bis die Regierung sie am Ende im Griff hatte. Brüssel hat ein paar Klagen vor dem Europäischen Gerichtshof angestrengt und ansonsten stillgehalten. Und die EU-Regierungen scheuten den Konflikt und waren zu feige, wenigstens das schwache Mittel eines Artikel-7-Verfahrens zu nutzen, das ihnen bisher zur Verfügung steht.  

Ausgerechnet die Christdemokraten im Europaparlament deckten jahrelang Orbans Machtergreifung und haben es bis heute nicht geschafft, seine Fidesz-Partei aus ihren Reihen zu verbannen. Wenn jetzt die EVP Budapest und Warschau zum Einlenken mahnt, muss man sie an ihre Mitschuld an diesem Desaster erinnern.

Wer solche Partner hat….

Ausgerechnet in der Corona-Krise nehmen Polen und Ungarn die 25 übrigen EU-Länder zur Geisel, weil sie offenbar weiter die Absicht haben, die Demokratie mit Füßen zu treten. Das ist ein einmaliger und unerhörter Vorgang und zeigt, wie weit sich Parteichef Jaroslaw Kaczynski  und Premier Viktor Orban von der politischen Partnerschaft in Europa entfernt haben.

Ein solches Verhalten würde man schlimmstenfalls von seinen Feinden erwarten. Das Geld aus dem Corona-Fonds wird in Südeuropa dringend und so schnell wie möglich gebraucht. Aber beide Regierungen schrecken auch vor Erpressung nicht zurück, um sich ihre korrupte Machtergreifung weiter von der EU finanzieren zu lassen. Wer solche Partner hat, braucht keine Feinde. Was der Europäischen Union hier dringend fehlt, ist eine Rausschmiss-Klausel.