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Politik

Warum haben wir Frauen im Stich gelassen?

7. April 2021

Die Auswirkungen der Corona-Pandemie haben Frauen unverhältnismäßig stark getroffen, so ein ernüchternder Bericht von Amnesty International. Wir haben ihre Notlage ignoriert, meint Manuela Kasper-Claridge.

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Iran Teheran Coronavirus
Eine junge Frau in TeheranBild: Ahmad Halabisaz/dpa/Xinhua/picture alliance

Die schreckliche Fratze von Corona zeigt sich in Krankheit, Tod und Verzweiflung für viele Menschen. Frauen sind damit täglich konfrontiert, denn sie tragen eine besonders schwere Last in der Pandemie. Frauen sind stärker von Arbeitslosigkeit betroffen, haben schlechteren Zugang zu Gesundheitsversorgung, und allzu oft bekommen sie keine wirtschaftliche oder soziale Unterstützung.

Die Pandemie hat die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern massiv verstärkt. Das ist ein deprimierendes Fazit des 408-seitigen Amnesty-Jahresberichts. Er sollte jedem Politiker nach Hause geschickt werden, denn für viele Frauen ist die Lage dramatisch.

Sie brauchen gezielte Unterstützung, werden in vielen Ländern aber kaum in ihrer besonderen Situation beachtet. In Indien verloren Frauen überproportional oft ihre Arbeit in der ersten Pandemiewelle. Allein im März und April 2020 hatten über 15 Millionen Inderinnen plötzlich keinen Job mehr, als sie ihre ohnehin schon prekären Arbeitsplätze verloren. Ein ähnliches Bild zeigt sich in Lateinamerika.

Erhöhte Jobverlust-Gefahr

Das Risiko für Frauen, während der Pandemie ihren Job zu verlieren, stieg um 44 Prozent. Es ist erschütternd, wie gleichgültig dies hingenommen wird. Erstaunlich oft wird auch vergessen, dass in Pflegeberufen weltweit zu 70 Prozent Frauen arbeiten. Sie tragen damit ein höheres Infektionsrisiko, sind besonders gefährdet an COVID-19 zu erkranken.

Deutsche Welle Manuela Kasper-Claridge, Chefredakteurin, Kommentarbild
DW-Chefredakteurin Manuela Kasper-ClaridgeBild: DW/R. Oberhammer

Wir brauchen Maßnahmen, die Frauen gerade auch in der Pandemie schützen. Proaktiv und nicht reaktiv - denn sonst ist es oft zu spät. Wir brauchen Leadership. Mutige Politik, die die Situation von Frauen erkennt, Frauen fördert und nicht marginalisiert.

Doch davon ist nur wenig zu sehen. Stattdessen wird nur auf die kurzfristige gesundheitspolitische Bekämpfung der Pandemie fokussiert und nicht erkannt, wo sich die Lage zusätzlich verschärft.

Nehmen wir zum Beispiel die Tatsache, dass Notunterkünfte und andere Anlaufstellen in vielen Ländern seit mehr als einem Jahr geschlossen sind und es wohl auch noch bleiben. Das bedeutet, dass es für viele Frauen kein Entkommen vor häuslicher Gewalt gibt. Für eine beträchtliche Anzahl von Frauen und Mädchen in Südafrika wurden die eigenen vier Wände genauso gefährlich und bedrohlich wie das Virus draußen, wenn nicht sogar noch bedrohlicher.

Höhere Gefährdung durch Gewalt

Die Gewalt gegen Frauen nahm dramatisch zu, nicht nur in Südafrika, sondern weltweit. In Mexiko registrierten die Behörden 969 sogenannte Femizide, Morde an Frauen aufgrund ihres Geschlechts. Ob Brasilien, die Dominikanische Republik oder Paraguay: In Lateinamerika können sich Frauen nicht sicher fühlen.

Auch nicht in Europa. In Spanien - ebenfalls ein Land, das besonders stark von der Pandemie betroffen ist - wurden innerhalb eines Sommers 19 Frauen von ihren Partnern ermordet. Schutzbedürftige werden in der Pandemie nicht ausreichend geschützt. Und in einigen Ländern wird die Gewalt gegenüber Frauen verharmlost oder sogar unterstützt - so die erschütternde Bilanz.

Eine Bilanz, die aufrütteln muss. Jetzt muss gehandelt werden. Schützt die Frauen. Denn Krisen sind nicht geschlechtsneutral. Auch nicht die Corona-Pandemie. Frauen haben ein Recht auf ein Leben in Würde, ohne Angst, zu jeder Zeit und an jedem Ort. Das ist ihr und unser Menschenrecht.