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Politik

'Mission Impossible' in Montenegro

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Miodrag Soric
4. Dezember 2020

Auf Zdravko Krivokapic und seiner Regierung ruhen die Hoffnungen des Landes. Doch er hat nur eine knappe Mehrheit. Und es gibt es einen Feind des Neuanfangs in der Nachbarschaft Montenegros, meint Miodrag Soric.

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Zdravko Krivokapic, Mann Anfang sechzig, vor zwei montenegrinischen und einer Europa-Fahne
Zdravko Krivokapic, der neue Regierungschef MontenegrosBild: Samir Kajosevic/AA/picture alliance

Warum tut sich das jemand an? Der soeben vom Parlament gewählte Ministerpräsident Zdravko Krivokapic könnte sich mit seinen 63 Jahren zur Ruhe setzen: ein von seinen Studenten respektierter und ausgezeichneter Professor der Ingenieurwissenschaften, verheiratet, mit fünf erwachsenen Kindern und ersten Enkeln. Mit Politik hatte er nie etwas zu tun, schon gar nicht mit der besonders korrupten Variante in seiner Heimat.

Gleiches gilt für den neuen Finanzminister Miljoko Spajic, der fließend Englisch, Französisch und Japanisch spricht. Bislang arbeitete der junge Goldman-Sachs Investmentbanker in Singapur, verdiente gutes Geld und hatte - wie der Premier - keinen politischen Ehrgeiz. Wozu wechselt er vom wohlhabenden Kleinstaat Singapur in eines der Armenhäuser Europas, was Montenegro wegen seiner unfähigen Führung nach wie vor ist? Ähnliches gilt für die Verwaltungsexpertin Tamara Srzentic, die in Kalifornien studierte, in Frankreich und Großbritannien arbeitete und jetzt in Podgorica Ministerin wird.

Pro-westliche Experten

Wer sich die neuen Regierungsmitglieder in Podgorica ansieht, erkennt schnell: Sie sind auf ihrem Gebiet Experten, pro-westlich orientiert, für die NATO und - im guten Sinne - Patrioten. Montenegro hat jetzt eine Regierung, die es mit anderen in Westeuropa aufnehmen kann: Top-Leute, die im Vergleich zu ihrem bisherigen Leben für ein Taschengeld arbeiten und nicht käuflich sind.

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DW-Chefkorrespondent Miodrag Soric

Und doch kaum eine Chance haben, sich gegen das bisherige Regime durchzusetzen: Hinter den Kulissen zieht immer noch Präsident Milo Djukanovic die Fäden, ein ehemaliger kommunistischer Jugendfunktionär und Anhänger des früheren serbischen Präsidenten Slobodan Milosevic. Seit über 30 Jahren kontrolliert Djukanovic das ihn umgebende Amalgam aus Alt-Kommunisten, korrupten Beamten und Richtern, Zigarettenschmugglern und Waffenschiebern. Und er weiß: Der neue Premier hat im Parlament eine Mehrheit von nur einer Stimme.

Kurzum, die neue Regierung Montenegros steht vor einer Mission Impossible. Auch aus finanziellen Gründen. Das Staatssäckel ist leer, die Pandemie hinterlässt auch in Montenegro Spuren.

Der Pate im Nachbarland

Die Erwartungen der Montenegriner an die neue Regierung sind hoch. Doch die muss vorerst den Mangel verwalten. Vor dem Regierungswechsel haben die bisherigen Machthaber Millionen, die sie in den vergangenen Jahrzehnten bei Seite geschafft haben, ins benachbarte Serbien verschoben. Schließlich sitzt in Belgrad ihr Pate und der größte Widersacher des Neuanfangs im Nachbarland: Präsident Alexander Vucic. Auch er regiert dank mafiöser Strukturen den Staat.

Hätte der neue Premier in Podgorica Erfolg, könnten seine Landsleute auf die Idee kommen, sich ebenfalls hinter einen unbescholtenen Mann zu vereinen; aus Serbien gar einen demokratischen Rechtsstaat zu machen. Eine Horror-Vorstellung für Vucic, der bislang alles kontrolliert: die Opposition, Teile der orthodoxen Kirche, Geheimdienste und Militärs.

Kontrollieren können Autokraten nur Menschen, die sie kennen. Vor einem Jahr noch kannte niemand Krivokapic. Der unbescholtene Mann kam an die Macht, weil er - wie Hunderttausende anderer - nicht zusehen wollte, wie Djukanovics Regime sich den Kirchenbesitz des Landes unter den Nagel riss. Aus den Protesten entstand eine politische Bewegung, welche die Parlamentswahlen gewann. Djukanovic versuchte - wie immer - viele Stimmen zu kaufen. Doch die Empörung über ihn, über die Unfähigkeit seiner Regierung, die weit verbreitete Korruption war so groß, dass die Montenegriner für einen Neuanfang stimmten.

Vorbilder Kohl und Adenauer

Der neue Premier Krivokapic kennt Deutschland, hat hier teilweise studiert. Seine politischen Vorbilder heißen Helmut Kohl und Konrad Adenauer. Er darf mit der Unterstützung des Westens, der NATO und der EU rechnen. Für CDU/CSU sowie die ihr nahestehenden Stiftungen auf dem Balkan eine gute Gelegenheit sich neu zu orientieren; vor allem keine Autokraten zu unterstützen, die nur vorgeben bürgerlich zu sein.

Krivokapic mag zwar kaum eine Chance haben, den montenegrinischen Augiasstall auszumisten. Aber es gilt wie bei jeder Mission Impossible: Am Ende könnte es vielleicht doch klappen.