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Politik

Ein homophober Heuchler mit Drogen

4. Dezember 2020

In Ungarn forderte der Fidesz-Mann die Verteidigung der "traditionellen Familie". Jetzt wurde er in Brüssel auf einer Schwulen-Party mit Drogen erwischt. Typisch für die Heuchelei der Populisten, meint Alexander Andreev.

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Frankreich Straßburg Viktor Orban und Jozsef Szájer
Ungarns Premier Viktor Orbán (li.) und der Europaabgeordnete Jozsef Szájer von Orbans Fidesz-ParteiBild: Fred Marvaux/EP

Heuchler. Ein einziges Wort reicht, um das politische Urteil über den bisherigen ungarischen Europa-Abgeordneten József Szájer zu fällen. Es gilt aber auch für seinen Mentor Viktor Orbán und die ganze Legion der Populisten, die sich in der Öffentlichkeit gerne traditionell-konservativ geben.

Szájer ist seit 37 Jahren (hoffentlich glücklich) mit einer hochrangigen Juristin verheiratet, das Ehepaar hat eine gemeinsame Tochter. Neben seinen vielfältigen politischen Tätigkeiten hat er auch ein Buch mit dem bedeutungsschwangeren Titel "The Opium of Globalist Utopianism and it's Antidote" ("Die Droge des globalistischen Utopismus und das Gegengift") geschrieben.

Kein Gegengift - echte Drogen

Aber als er halbnackt von einer aufgrund der Corona-Beschränkungen illegalen Sex-Party aus dem Badezimmerfenster floh, fand die Brüsseler Polizei in seinem Rucksack nicht etwa das Gegengift gegen den globalistischen Utopismus, sondern unbestreitbar echte Drogen. Drogen, die einen ganz und gar globalistischen Hintergrund haben, weil sie vermutlich aus Kolumbien, Marokko oder den benachbarten Niederlanden kommen.

Andreev Alexander Kommentarbild App
Alexander Andreev leitet die Bulgarische Redaktion

Unbestreitbar ist auch die Teilnahme des Politikers an der sehr freizügigen Sex-Party direkt über einer Schwulen-Bar. Aufgrund der Corona-Einschränkungen ist die Bar derzeit geschlossen und sind solche Partys verboten - sonst läge darin gar nichts Verwerfliches. Nichts, außer Jozsef Szájers hartem Kurs gegen die LGBT-Community in Ungarn und seinem beherzten Einsatz für die sogenannten "traditionellen Werte".

Jetzt stellen sich simple Fragen: Wird Szájer diesen Brüsseler Seitensprung seiner Frau und seiner Tochter erklären können? Das muss uns nicht interessieren, das ist seine Privatsache. Aber wird seine Partei Fidesz vor den Wählerinnen und Wählern in Ungarn weiterhin die "traditionellen Werte" glaubwürdig verteidigen können? Parteichef Viktor Orbán tobt nicht ohne Grund. Denn die Heuchelei ist offensichtlich.

Auch Orbán in Erklärungsnot

Auch Orbán selbst ist neulich in ähnliche Erklärungsnot geraten, als er in einem Interview mit der "Zeit" (vermutlich schwitzend) seine Verleumdungen des Finanziers und Wohltäters George Soros verteidigen musste. War doch gerade Soros derjenige, der Orbán seinerzeit einen Studienplatz in Oxford finanziert und einen Arbeitsplatz in der Open-Society-Foundation verschafft hatte. Wie heuchlerisch!

Heuchelei ist bei allen zeitgenössischen Populisten ein beliebtes Instrument, mit dessen Hilfe sie Millionen Wählerinnen und Wähler an der Nase herumführen. Denn auch Populisten wissen nur zu genau, wie rasch sich die Gesellschaft entwickelt. Dass Homosexuelle natürlich die gleichen Rechte wie alle anderen haben (oder haben müssen). Dass die EU das am besten gelungenste Nachkriegsprojekt in Europa ist. Und dass ohne die großzügigen Gelder aus Brüssel ihre eigene Wählerschaft ärmer und sie selbst vielleicht arbeitslos wären.

Die glauben ihren Quatsch nicht einmal selbst

Und trotzdem gehen sie auf die Barrikaden: gegen die EU, gegen die Globalisierung, gegen Homosexuelle, gegen die Flüchtlinge, gegen George Soros oder Bill Gates. Dabei glauben sie teilweise nicht einmal selbst an den Quatsch, den sie erzählen, denn sie verstehen sehr gut, was "Realpolitik" ist. Gleichzeitig wissen sie aber auch, dass unter der Oberfläche der Gesellschaften viel Angst und Hass, Neid und Aggression brodelt. Und deswegen bedienen sie Vorurteile an Stelle der tatsächlichen Interessen der Gesellschaft. Wie heuchlerisch!

Belgien Brüssel | Monroe Bar
Hier hangelte sich der halbnackte Jozsef Szájer am Regenrohr aus dem ersten Stock auf die Straße hinunterBild: Laure Dieffembacq/BELGA MAG/AFP/Getty Images

Dass ein Politiker an einer Sex-Party, egal ob homo- oder heterosexuell, teilnimmt, ist - litten wir nicht gerade unter der Corona-Pandemie - in Ordnung, weil prinzipiell nicht illegal. Dass er Drogen nimmt, muss man zur Kenntnis nehmen, allerdings mit dem Hinweis, dass dies gefährlich für seine Gesundheit ist. Es wäre ja heuchlerisch zu behaupten, kein Politiker nehme Drogen. Das Leben der meisten Politiker ist harter Alltag - und genau das ist der Preis, den sie für das Rampenlicht und die Droge Macht bezahlen müssen.

Privatleben und Glaubwürdigkeit

Wenn sie tatsächlich im Interesse ihrer Wählerinnen und Wähler, aber auch im Interesse der ganzen Gesellschaft arbeiten, dann hat uns ihr Privatleben nicht weiter zu interessieren. Wenn sie aber Wasser predigen und selbst Wein trinken, dann verlieren sie jede Glaubwürdigkeit. Und ein unglaubwürdiger Politiker ist wie ein ertappter, halbnackter Ehemann, der von einer Schwulenparty durchs Fenster flieht: einfach nur peinlich.

Gegen die neue digitale Pandemie, die Fake News in den Sozialen Medien, gibt es mittlerweile ein wirksames Gegenmittel: Quellen überprüfen und Fakten checken. Gegen die alte politische Krankheit der Heuchelei existiert in der Demokratie schon längst ein bewährtes Mittel: heuchlerische Politiker einfach abwählen. Jozsef Szájer ist mittlerweile zurückgetreten. Doch bei Viktor Orbán und allen anderen Populisten, die Heuchelei zur politischen Kunst erhoben haben, ist eine Abwahl noch möglich. Und auch nötig.