"Elf Freunde müsst ihr sein, wenn ihr Siege wollt erringen", diese Fußball-Weisheit, die fälschlicherweise dem reichhaltigen Zitate-Fundus des ehemaligen Bundestrainers Sepp Herberger zugeschrieben wurde, stand Gerüchten zufolge schon 1903 auf dem Sockel der Viktoria. Die Trophäe mit der geflügelten Siegesgöttin ging damals, als Preis für die erste Deutsche Meisterschaft, an den VfB Leipzig. Die Lehre von den elf Freunden war damals aktuell, möglicherweise auch noch, als Deutschland 1954 unter Herberger erstmals Weltmeister wurde. Später wurde sie mehr und mehr verdrängt. Die Spieler mussten nicht mehr befreundet sein, sondern lediglich auf dem Platz gemeinsam funktionieren: elf Ich-AGs im gleichen Trikot, eine Zweckgemeinschaft für 90 Minuten.
Ausgerechnet München
Am 1. Spieltag der neuen Bundesliga-Saison hat das "Elf-Freunde"-Motto nun eine Renaissance erlebt - allerdings nicht, wie man hätte erwarten können, beim auf dem Papier unterlegenen Team, das aufgrund einer geschlossenen Mannschaftsleistung über sich hinauswächst und dem klaren Favoriten Paroli bietet. Ganz im Gegenteil: Ausgerechnet der FC Bayern, aufgrund der individuellen Klasse seiner Spieler ohnehin schon klar überlegen, macht der staunenden Konkurrenz beim 8:0-Auftaktsieg gegen Schalke vor, wie mannschaftliche Geschlossenheit, uneitles Einspringen für den anderen und Teamgeist - um mal einen abgedroschenen Begriff zu benutzen - aussehen.
Doch ob abgedroschen oder nicht, unter Hansi Flick werden diese Werte beim FC Bayern wieder gelebt - auch weil der Trainer selbst ein Vorbild an Bescheidenheit ist, weil er jedem Spieler das Gefühl vermittelt, gebraucht zu werden, gleichzeitig aber nicht zulässt, dass irgendeiner seiner Profis sich für besser oder wichtiger hält als die anderen. Das war auch in der Rückrunde der vergangenen Saison schon zu spüren. So setzten die Bayern sich letztlich auch im Finalturnier der Champions League durch und holten das Triple. Schon damals sagte Thomas, man prügele sich quasi darum, "wer den Fehler des anderen ausbügeln darf".
Serge Gnabry: "Jeder für jeden"
Fast konnte man am Freitagabend froh darüber sein, dass beim Spiel gegen Schalke wegen der hohen Infektionszahlen doch keine Zuschauer in der Münchner Arena zugelassen waren. So war nach jedem Bayern-Treffer deutlich zu hören, wie die Spieler sich sofort in der nächsten Aktion nach Wiederanpfiff gegenseitig anfeuerten, sich heiß machten und daran erinnerten, weiter hungrig zu bleiben. Auch die fünf erlaubten Wechsel, die Flick komplett ausnutzte, sorgten nicht für einen Bruch im Bayern-Spiel.
"Das, was uns auszeichnet, ist dass wir eine Truppe zusammen haben, in der jeder sich für den anderen freut und jeder für den anderen alles gibt - und das kommt dann dabei raus", erklärte Dreifach-Torschütze Serge Gnabry die Stärke seines Teams, in dem tatsächlich viele Spieler befreundet sind und von denen einige zuletzt sogar den kurzen Sommerurlaub gemeinsam verbrachten.
Erstes "Bayern-Opfer" waren nun die Schalker, die gut daran getan hätten, wenigstens ein bisschen von den Tugenden zu zeigen, mit denen der FC Bayern sie beim 8:0-Auftaktsieg überrollt hat. Sie schafften es nicht, insofern hatten die Bayern noch leichteres Spiel. Allerdings mag man sich in Gelsenkirchen trösten: Schalke wird nicht die letzte Mannschaft sein, die gegen den FC Bayern und seinen (neuen) Teamgeist den Kürzeren zieht. Und wahrscheinlich auch nicht die letzte, die dabei eine 0:8-Klatsche kassiert.