Ein Bronzedenkmal für Peter Handke
13. Mai 2021Eine Ode des römischen Dichters Horaz beginnt mit den Worten "Exegi monumentum". Ein Denkmal habe ich errichtet, dauerhafter als Bronze, weder Regen noch der Nordwind können ihm etwas anhaben, so Horaz. Dieses Motiv haben andere Dichter übernommen, der berühmteste vermutlich Puschkin, der in seiner "Exegi monumentum" betitelten Ode schreibt, dass des Volkes Pfad zu seinem Denkmal nie zuwuchern werde.
Peter Handke ist ein Autor, dem es an Sendungsbewusstsein nie gefehlt hat. Und so hat er nicht nur eine einzelne Ode, sondern zahlreiche Werke genau diesem einen Thema gewidmet: der Besonderheit und der Erhabenheit seiner eigenen schriftstellerischen Existenz. Allerdings scheint er im Unterschied zu Horaz und Puschkin von der Ewigkeit des eigenen literarischen Schaffens doch nicht vollständig überzeugt zu sein. Und so akzeptierte er die angebotene Ehre, ein ihm gewidmetes Denkmal in Bronze persönlich einzuweihen.
Auf den Fotos vom 7. Mai 2021 ist er in Banja Luka, der Hauptstadt der Republika Srpska, in vertrauter Nähe zum mächtigsten serbisch-bosnischen Politiker, Milorad Dodik, zu sehen. Er scheint nicht im Geringsten um das Fortbestehen der überdimensionierten Skulptur besorgt, die ihn als einen eleganten Bohemien mit einem großen Kopf zeigt, an den Füßen solide Wanderschuhe, sein Wahrzeichen.
Auszeichnung am Jahrestag der Moschee-Sprengung
Da das Denkmal vor dem Regierungsgebäude steht, ist vorerst nicht zu befürchten, dass der Weg zu ihm zuwuchern könnte. Horaz und Puschkin mögen nicht so zuversichtlich gewesen sein, was die materiellen Ehrungen im Römischen und im Russischen Reich betraf, Handke jedoch scheint ein tiefes Vertrauen in die Regierung der bosnischen Serbenrepublik und das Fortbestehen dieser nach ethnischen Säuberungen entstandenen Entität zu haben.
Vermutlich wären Horaz und Puschkin erst recht allen materiellen Denkmälern gegenüber misstrauisch, wenn sie von dem Schicksal unzähliger Denkmäler im ehemaligen Jugoslawien gewusst hätten, unter anderem vom Schicksal der Ferhadija-Moschee in Banja Luka, eines weithin bekannten Juwels osmanischer Architektur aus dem 16. Jahrhundert. Sie wurde am 7. Mai 1993 von serbischen Nationalisten in die Luft gejagt, mitten im Zentrum von Banja Luka. Dass Peter Handke sein eigenes Denkmal am Jahrestag dieser Zerstörung einweihen durfte, hat der serbisch-bosnische Journalist Dragan Bursać als recht fragwürdige Botschaft gedeutet.
Höchster serbischer Staatsorden für Handke
Auch ansonsten waren die lautesten kritischen Stimmen zu diesem hohen Besuch jene der oppositionellen serbischen Intellektuellen. So schrieb der Literaturkritiker Teofil Pančić, dass Handke "zum wer-weiß-wievielten Mal bewusst den tanzenden Bären der serbischen und der serbisch-bosnischen nationalistischen extremen Rechten spielte, derselben Rechten, die ihn im Kontext seiner beiden Heimatländer stören - jenem, in dem er geboren wurde, und jenem anderen, in dem er lebt. So ist es, wenn man koloniales Denken pflegt und auf die 'Eingeborenen' nicht dieselben Standards anwendet wie auf sich selbst und auf eigene Mitmenschen". Doch vergeblich: Handke hat noch nie einen Dialog mit andersdenkenden Serben gesucht, sondern immer nur die Übereinstimmung mit den Nationalisten und die Nähe zu den Herrschenden.
Die serbisch-bosnische Regierung ehrte den Dichter auch mit einem Orden, über den Vahidin Preljević, Germanistikprofessor aus Sarajevo, sagte, dass sich die Namen der Personen, die ihn zuvor verliehen bekommen hatten, wie ein Who is Who des Genozids anhören: Ratko Mladić, Radovan Karadžić, Biljana Plavšić, Slobodan Milošević, Vojislav Šešelj. Warum sich ein Nobelpreisträger freiwillig in die Reihe dieser Namen stellt, kann man etwas besser nachvollziehen, wenn man seine Reise von Banja Luka weiter nach Višegrad analysiert, wo er den Ivo-Andrić-Preis entgegennahm und sich feiern ließ, um danach weiter nach Serbien zu ziehen und sich dort vom Staatspräsidenten Aleksandar Vučić mit dem höchsten serbischen Staatsorden dekorieren zu lassen.
Kontinuität einer verheerenden Politik
Die serbische Historikerin Dubravka Stojanović sagte der Zeitung "Danas": "Für mich ist vor allem die Reihenfolge der Ereignisse schrecklich, die vor der Ankunft Peter Handkes in Belgrad stattgefunden haben (…). Zuvor führten Matija Bećković, Emir Kusturica und Milorad Vučelić ihn durch Ostbosnien, wo sich eine Reihe der größten Massenverbrechen nach dem Zweiten Weltkrieg ereignet haben." An allen diesen Orten verschwendete der Dichter kein einziges Wort an die Opfer, genauso wie er in Belgrad nicht das Gespräch mit kritischen Intellektuellen suchte. Ihnen kam diese Reise wie eine Demonstration der Kontinuität einer verheerenden Politik vor, die Serbien und den ganzen Balkan ins Verderben gestürzt hat; sie fragen sich besorgt, was diese Demonstration zum jetzigen Zeitpunkt bedeutet.
Die ominösen Non-Paper, mit denen derzeit neue Grenzverschiebungen auf dem Balkan angedeutet werden, sind noch nicht ausdiskutiert worden, die Pandemie ist noch nicht beendet und die gesamte Region ist weit entfernt von jeglicher Stabilität. Anstatt die Korruption zu bekämpfen, Versöhnung anzustreben und sich um friedliche Perspektiven zu kümmern, stellen serbische Politiker Denkmäler auf, verteilen Orden und schwingen Reden, die keine Einsicht verraten und keine Hoffnung wecken. Und mitten darin ein Schriftsteller, der dem eigenen Werk entgegen aller Beteuerungen und Beschwörungen viel weniger vertraut, als Horaz oder Puschkin es getan haben. Und der vielleicht ahnt, dass nicht nur die Bronze dereinst ihren Glanz verlieren wird.
Alida Bremer ist eine Schriftstellerin und Publizistin aus Kroatien. Seit 1986 lebt sie in Deutschland. Ihre Essays, Kolumnen, Erzählungen und Gedichte wurden in Zeitungen, Zeitschriften und Internetportalen veröffentlicht und in verschiedene Sprachen übersetzt.