Clemens J. Setz sperrt die Angst weg
17. Dezember 2015Autoren, Musiker, Künstler, Theaterleute – viele sehen sich als Bürger dieser Welt und nutzen ihre Popularität, um zur Solidarität mit Flüchtlingen aufzurufen, Spenden zu sammeln oder aufkeimenden Rassismus zu kritisieren. Woher kommt ihr Engagement? Drei Fragen, drei Antworten: unsere DW-Serie "Mein Einsatz".
DW: Wie setzen Sie sich für Flüchtlinge ein?
Clemens J. Setz: Ich war auf dem Wiener Hauptbahnhof und auch am Westbahnhof und habe dort mitgeholfen: Dinge tragen, Dinge verteilen, und was halt gemacht werden muss. Ich hab mir da nichts ausgesucht, ich war einfach körperlich vorhanden und habe einzelnen Individuen, die schon hier sind, geholfen.
Warum tun Sie es?
Es stellt sich eher die Frage: "Warum nicht?" Man macht es einfach. Man möchte in einer Welt leben, in der das auch andere für einen machen würden, daher muss man es auch selber machen. Selbst wenn man egoistisch wäre und kein Mitleid hätte – was bei mir Gott sei Dank nicht der Fall ist –, dann ist man gut beraten, es trotzdem zu machen. Es gibt gar keinen Weg daran vorbei.
Was möchten Sie damit bewirken?
Ich bin kein Politiker, ich kann nicht das Schicksal von Millionen beeinflussen. Ich kann nur direkt da sein und jemandem etwas geben. Ich kann meine Zeit zur Verfügung stellen. Das ist dann die Wirkung. Ich kann nicht sagen: Ich bewirke etwas, was außerhalb dessen liegt. Das wäre absurd und vermessen. Aber ich würde allen empfehlen, die freiwillige Helfer sein möchten: Man kann sehr leicht googlen, wo man helfen kann. In den Städten, die es - wie Wien- direkt betrifft, ist es nicht schwer zu helfen. Wenn jeder etwas macht, geht's ja eigentlich ganz leicht.
Ich denke, diese "Wir-schaffen-das-schon"-Message wird nirgends gesagt. Doch so schwer ist das alles gar nicht, man muss nur Angst und Hass wegsperren. Angst und Hass habe ich selbst, nicht auf Fremde, doch Angst habe ich schon. Das ist ja auch normal. Das darf man dann einfach nicht ernst nehmen. So, wie man seine Flugangst nicht ernst nehmen darf. Man hat immer Angst, dass man abstürzt. Aber das bringt ja alles nichts. Und da ist es genau so: Wenn Leute kommen, die anders ausschauen, hab ich auch Angst. Aber das darf man dann einfach nicht ernst nehmen. So schwer ist das gar nicht.
Nicht wenige deutsche Kritiker waren empört, als die Jury des Deutschen Buchpreises in diesem Jahr Clemens J. Setz' Buch "Die Stunde zwischen Frau und Gitarre" nicht auf die Shortlist setzte. Der 1982 im österreichischen Graz geborene Erzähler hat für seinen 1000 Seiten langen Stalking-Roman viel Lob bekommen. Geht es darum, die raue Flüchtlingsrealität zu verbessern, sieht er sich als Schriftsteller nicht in einer Sonderrolle.