"Mein Einsatz": Frank Witzel hinterfragt Sprache
18. Dezember 2015Schriftsteller, Musiker, Künstler, Theaterleute - viele sehen sich als Bürger dieser Welt und nutzen ihre Popularität, um zur Solidarität mit Flüchtlingen aufzurufen, Spenden zu sammeln oder aufkeimenden Rassismus zu kritisieren. Woher kommt ihr Engagement? Drei Fragen, drei Antworten: unsere DW-Serie "Mein Einsatz".
DW: Wie setzen Sie sich für Flüchtlinge ein?
Frank Witzel: Ich setze mich für Flüchtlinge ein, genauso wie ich mich für politische Themen einsetze: indem ich versuche, an der öffentlichen Diskussion teilzunehmen, indem ich dort, wo ich vor Ort bin und gefragt oder angesprochen werde, direkte Hilfe leiste, und indem ich versuche, das Nachdenken über das Thema zu intensivieren.
Warum tun Sie es?
Das kann ich nur damit beantworten: Weil es eine Notwendigkeit ist. Es gibt auf der einen Seite die praktische Hilfe, die viele Menschen leisten. Doch ich als Schriftsteller fühle mich besonders verpflichtet, an einem Thema zu arbeiten, das ich in diesem Zusammenhang enorm wichtig finde: nämlich an der Sprache, am Sprachumgang und an Formulierungen. Um zu vermeiden, dass man in Klischees oder in einen alten Duktus verfällt. Das geschieht immer wieder, und das schockiert mich. Ich möchte einen kleinen Beitrag dazu leisten, das zu verhindern. Man kann dieses Thema sprachlich und auch konkret bewältigen.
Was möchten Sie damit bewirken?
Ich glaube, dass die Sprache ein ganz wichtiger Teil der Problemlösung ist. Als Schriftsteller sehe ich mich in der Verpflichtung, Sprache immer wieder zu hinterfragen. Gerade, damit sich keine vom unterschwellig immer wieder auftauchenden Nationalismus überkommenen Klischees einschleichen können. Das sehe ich als vordringlichste Aufgabe, denn das ist mein Metier, daran kann ich wirklich arbeiten. Ich bin sehr schlecht mit praktischen Dingen. Ich möchte mich da nicht aus der Verantwortung ziehen, aber ich glaube, jeder sollte auf dem Gebiet arbeiten, auf dem er es gut kann.
Ich glaube, dass das Hinterfragen der Sprache dazu beiträgt, dass wir unser Denken hinterfragen. In einem dialektischen Prozess zu bleiben, trägt dazu bei, dass wir zu wirklichen Lösungen dieser enormen Probleme kommen und uns eben nicht auf Sprachregelungen und auf die daraus folgenden Maßnahmen verständigen. Falls das geschähe, hätten wir das Problem einfach abgehakt - und darunter würden dann Menschen, die in äußerster Not sind, enorm leiden.
Frank Witzel, geb. 1955, wurde in diesem Jahr für seinen sprachmächtigen Roman "Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969" mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet. Ehe er auf den mehr als 800 Seiten dieses Buchs den Kosmos der alten BRD wiederauferstehen ließ, hatte er zwei Gedichtbände und zwei Romane veröffentlicht.