75 Morde durch Neonazis seit 1990
27. Juli 2015Die Bundesregierung hat ihre Angaben zu den Todesopfern rechtsextremistischer Gewalt in Deutschland nach oben korrigiert: Demnach wurden seit 1990 insgesamt 75 Menschen bei 69 Mordanschlägen durch Neonazis getötet. Das geht aus einer Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Anfrage der Grünen hervor.
Seit Jahren gibt es Streit über die Zahl der Menschen, die von rechtsextremen Tätern ermordet wurden. In der offiziellen Statistik tauchten bislang etwa 60 Todesfälle auf. Zivilgesellschaftliche Netzwerke und Bündnisse listen dagegen seit langem deutlich mehr Fälle auf - zum Teil drei Mal so viel.
Mehr als 3000 Altfälle überprüft
Bund und Länder nahmen sich daher unaufgeklärte Verbrechen aus der Vergangenheit noch mal vor: insgesamt 3300 Tötungsdelikte und Tötungsversuche von 1990 bis 2011. Dabei fand das Bundeskriminalamt (BKA) in Zusammenarbeit mit den meisten Landeskriminalämtern fünfzehn weitere Morde, die auf einen rechtsextremen Hintergrund schließen ließen. Hinzu kamen zwei neuere Fälle, so dass die offizielle Statistik nun 17 zusätzliche Todesopfer rechtsextremer Gewalt enthält.
Die Sicherheitsbehörden hatten die Überprüfung der alten Fälle nach Bekanntwerden der Mordserie der Terrorzelle "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) eingeleitet. Der Gruppe werden zwischen den Jahren 2000 und 2007 zehn Morde zur Last gelegt, an neun Männern aus Zuwandererfamilien und einer Polizistin.
Polizei und Geheimdienste waren der Bande jahrelang nicht auf die Spur gekommen. Die Terrorzelle flog erst Ende 2011 auf. Lange blieben die rechtsextremen Hintergründe der Taten unentdeckt. Beate Zschäpe, das mutmaßlich einzig überlebende Mitglied des NSU, steht in München vor Gericht.
Grüne kritisieren BKA
Neun der zusätzlich als rechtsextremistisch motiviert gewerteten Morde gehen auf eine Untersuchung des Landes Brandenburg zurück, das anders als die anderen Bundesländer auch die Zivilgesellschaft und Opferverbände in die Überprüfung der alten Fälle mit einbezogen hatte. Dass das BKA auf diese Einbeziehung der Zivilgesellschaft verzichtete, wurde von den Grünen scharf kritisiert.
Das Bundesinnenministerium hielt dem entgegen, das BKA selbst habe bis auf eine Ausnahme keine eigenen Bewertungen vorgenommen, sondern vor allem Informationen der Länder zusammengetragen. Die Länder hätten selbst über ihr Vorgehen entschieden - und Brandenburg habe einen etwas anderen Weg gewählt.
wl/kle (dpa, afp, epd)