Kurzsichtigkeit durch Corona-Maßnahmen
20. Januar 2021Sehen Sie? Schon wieder schauen Sie auf den Bildschirm, um diesen Text zu lesen! Und, sehen Sie noch gut oder haben sich Ihre Augen auch in letzter Zeit verschlechtert?
Durch den Lockdown, Homeschooling und die Kontaktbeschränkungen starren wir alle in dieser Corona-Pandemie noch häufiger als ohnehin schon auf Bildschirme, Tabletts und Mobiltelefone. Die meisten Menschen verbringen unendlich viel Zeit zuhause und gehen kaum noch ins Freie. Durch die permanenten Fokussierung auf Objekte im Nahbereich fehlt den Augen der nötige Weitblick.
Uns fehlt der Weitblick
Der Bewegungsmangel macht sich vor allem bei Kindern bemerkbar - auch bei deren Augen. Jüngste Untersuchungen aus den Niederlanden und China zeigen, dass in Folge der Corona-Auflagen vor allem bei Kindern die Kurzsichtigkeit drastisch zugenommen hat - sie bezeichnen das Phänomen als "Quarantäne-Kurzsichtigkeit".
In China etwa zeigten die Daten von mehr als 120.000 Schulkindern zwischen sechs und 13 Jahren, dass die Kurzsichtigkeit 2020 drastisch zugenommen hat. Vor allem bei Kindern zwischen sechs bis acht Jahren sei Kurzsichtigkeit verglichen mit den Vorjahren bis zu dreimal häufiger festgestellt worden, so die Studie. In dieser Altersgruppe habe sich die Sehschärfe um etwa 0,3 Dioptrien in Richtung Kurzsichtigkeit entwickelt.
Prägende Faktoren
Diese drastische Verschlechterung der Sehschärfe bei den Kleinsten ist besonders erschreckend, weil sich bereits in frühster Jugend entscheidet, ob jemand kurzsichtig wird und eine Sehhilfe benötigt. Wer einmal kurzsichtig ist, bleibt es auch. Das gewachsene Auge schrumpft nicht wieder. Meist beginnt die Kurzsichtigkeit im Grundschulalter und sie nimmt im Laufe der Jahre zu. Je früher sie beginnt, desto stärker wird sie.
Wenn der Augapfel im Alter zwischen sechs und zehn Jahren zu stark wächst, bedeutet dies den Verlust der Sehschärfe im Fernbereich. Und eine starke Kurzsichtigkeit erhöht auch das Risiko für eine Netzhautablösung, für Grauen Star durch erhöhten Augeninnendruck oder eine spätere Erblindung.
Je besser die Bildung, desto schlechter die Augen
Bis Mitte des Jahrhunderts werden rund fünf Milliarden Menschen, also dann voraussichtlich die Hälfte der Weltbevölkerung, laut dem Brien Holden Vision Institute kurzsichtig sein. Vor allem in den Industrieländern ist die Anzahl kurzsichtiger Menschen in den letzten Jahrzehnten rasant angestiegen.
Der kontinuierliche Anstieg hängt mit unseren veränderten Lebensumständen zusammen, denn wir verbringen deutlich weniger Zeit im Freien und starren immer häufiger auf Computer- und Smartphone-Bildschirme.
Es gibt sogar einen direkten Zusammenhang zwischen den wachsenden Bildungschancen und der Sehschwäche: Je höher der Ausbildungsgrad, desto höher das Risiko für Kurzsichtigkeit. "Die Zunahme ist vor allem auf sehr frühen und intensiven Gebrauch von PCs, Smartphones und Tablets bei gleichzeitig immer kürzeren Tagesaufenthalten im Freien zurückzuführen", sagt Professor Dr. Nicole Eter, Direktorin der Klinik für Augenheilkunde der Universität Münster.
Überdurchschnittlich viele kurzsichtige Kinder und Jugendlichen gibt es in Asien. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren zum Beispiel in Hongkong, Taiwan und Südkorea etwa 20-30 Prozent der 20-Jährigen kurzsichtig, heute sind es mehr als 80 Prozent. In China sind inzwischen vier von fünf Jugendlichen kurzsichtig. In einzelnen asiatischen Ländern beläuft sich die Quote sogar auf bis zu 95 Prozent. Aber auch in Europa ist etwa die Hälfte der jungen Erwachsenen kurzsichtig.
Abstand und Tageslicht helfen gegen Kurzsichtigkeit
Reduzieren lässt sich das Risiko für Kurzsichtigkeit, indem man nicht zu lange auf einen Gegenstand im Nahbereich schaut, unabhängig davon, ob es sich dabei um ein Smartphone oder ein spannendes Buch handelt. Entscheidend ist die Entfernung und dass der Betrachter regelmäßig aufblickt, damit das Auge den Nahbereich verlässt und der Blick in die Ferne schweifen kann.
Das Risiko für Kurzsichtigkeit reduziert sich vor allem aber durch längere Aufenthalte im Freien, weil Tageslicht das weitere Wachstum des Augapfels hemmt. In Zimmern beträgt die Lichtstärke im Durchschnitt 300 bis 500 Lux, im Freien dagegen an einem hellen Sommertag rund 100.000 Lux. Auch Untersuchungen aus Skandinavien zeigen, dass die Kurzsichtigkeit in der dunklen Jahreszeit zunimmt, während sie in der hellen Jahreszeit stagniert.
Blaulicht der Bildschirme führt zu Schlafstörungen
Der ständige Blick auf den Bildschirm kann vor allem Kinderaugen reizen, ermüden und austrocknen. Eine übermäßige Nutzung von elektronischen Medien führt nach Ansicht der Wissenschaftler aber nicht nur zu mehr Kurzsichtigkeit, es leidet auch das räumliche Vorstellungsvermögen. Verschwommenes Sehen oder Schielen können die Folge sein.
Außerdem ist der abendliche Smartphone-Gebrauch möglicherweise für Schlafstörungen verantwortlich: "Der hohe Blaulichtanteil der Bildschirme hemmt die Ausschüttung des Hormons Melatonin, das schläfrig macht", so Prof. Nicole Eter, die die Klinik für Augenheilkunde am Universitätsklinikum Münster leitet. Zwar haben viele Geräte inzwischen einen Nachtmodus, der das Blaulicht reduziert, aber eigentlich sollten wir rund zwei Stunden vor dem Zubettgehen nicht mehr auf die Geräte schauen.
Augen brauchen Ruhe und Licht
Gerade bei den Kleinsten sollten Eltern die Nutzungsdauer digitaler Medien begrenzen. "Aus augenärztlicher Sicht sind PC, Smartphone oder Tablet für Kinder bis zu einem Alter von drei Jahren gänzlich ungeeignet", betont Prof. Dr. Bettina Wabbels von der Bonner Universitäts-Augenklinik. Die Augen-Expertin empfiehlt für Vier- bis Sechsjährige eine tägliche Nutzungsdauer von bis zu dreißig Minuten. "Im Grundschulalter wäre eine Medienzeit von maximal einer Stunde täglich aus augenärztlicher Sicht vertretbar, ab einem Alter von etwa zehn Jahren von bis zu zwei Stunden pro Tag", sagt die Professorin.
Die guten Ratschläge gelten aber nicht nur für Kinder und Jugendliche. Betroffen sind auch Erwachsene, deren Augen auch zuweilen eine Pause brauchen. Also öfter mal vom Bildschirm aufschauen, den Blick schweifen lassen und sich häufiger im Freien aufhalten.