Meeresspiegel-Experten schlagen Alarm
8. Mai 2020Bis zum Jahr 2100 könnte der Meeresspiegel durchschnittlich um mehr als einen Meter und bis 2300 sogar um mehr als fünf Meter steigen - wenn die Menschheit weiter so viel Treibhausgas ausstößt wie bisher. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Umfrage unter 106 führenden Experten, wie das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) berichtet. Die Umfrage bildete die Grundlage einer neuen Studie unter der Leitung der Nanyang Technological University (NTU) in Singapur, an der neben dem PIK auch Universitäten aus Hongkong, den USA, Großbritannien und Irland beteiligt waren.
Die neue Prognose basiere auf dem zunehmenden Wissen über die beteiligten Systeme - also Ozeane, Eismassen und Wasserkreisläufe, so das PIK. Frühere Schätzungen des Meeresspiegel-Anstiegs seien zu niedrig.
"Haben es selbst in der Hand"
"Was wir heute innerhalb weniger Jahrzehnte tun, bestimmt den Meeresspiegel-Anstieg für viele Jahrhunderte, das zeigt die neue Analyse deutlicher als je zuvor", erklärte Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut. "Das ist aber auch die gute Nachricht: Wir haben es beim Ausstoß von Treibhausgasen selbst in der Hand, wie stark wir die Risiken für Millionen von Menschen an den Küsten der Welt ansteigen lassen."
Sollte die Klimaerwärmung - im Vergleich zum vorindustriellen Niveau - gemäß den Vereinbarungen des Pariser Klimaabkommens auf maximal zwei Grad Celsius begrenzt werden, sagen die Experten einen Anstieg der Ozean-Pegel von etwa 50 Zentimeter im globalen Mittel bis 2100 voraus. Bis 2030 dürften es ein halber bis höchstens zwei Meter sein, heißt es.
Für ein Szenario unverminderten Ausstoßes von Treibhausgasen mit einer Erwärmung um weltweit durchschnittlich viereinhalb Grad Celsius prognostizieren die Fachleute hingegen einen entsprechend größeren Anstieg des Meeresspiegels: von 0,6 bis 1,3 Meter bis 2100 und von 1,7 bis 5,6 Meter bis 2300.
Eisschilde schmelzen
Die größten Unsicherheiten schlummern demnach in den Eisschilden Grönlands und der Antarktis, glauben die Experten. Satellitengestützte Messungen zeigten, dass die Eisschilde unter globaler Erwärmung immer schneller Masse verlören.
Die neue Risikoabschätzung liegt alles in allem auch höher als jene des Weltklimarats IPCC. Dieser hatte zuletzt seine Projektionen zum Meeresspiegel-Anstieg bereits um knapp zwei Drittel angehoben. Nun sehe es aber so aus, als sei die Herausforderung noch größer als bislang befürchtet - und Gegenmaßnahmen daher noch dringlicher, betont das PIK.
wa/sti (afp, PIK)