Marina Abramović: Kunst ohne Konzept
16. Juni 2014Zehn Wochen, acht Stunden pro Tag, sechs Tage die Woche - macht 512 Stunden. So lange möchte die berühmte Performance-Künstlerin Marina Abramovic in der Londoner Serpentine Gallery sein und mit den Besuchern in Kontakt treten. Smartphones und andere elektronische Geräte sind nicht erlaubt - jeder Besucher soll seine Besitztümer an der Tür abgeben. Die Gründe erklärt Marina Abramovic so: "Wir wollen nicht, dass die Leute herkommen und telefonieren, bloggen und tweeten, ohne dass sie überhaupt etwas gesehen haben, so wie sie das sonst immer tun. Ich will nicht, dass die Leute Fotos von Dingen machen, die sie gar nicht selbst erfahren."
Ihr Konzept ist relativ spektakulär: Es gibt keines. In London hielt sie sich mit Vorankündigungen zurück und sagte vor der Eröffnung lediglich, dass sie nicht wisse, was in dieser Performance passieren werde. Nichts sei vorausgeplant. Sie sei allerdings besorgt, wie die Leute auf sie reagieren. Seitens der Besucher gab es aber in den ersten Ausstellungstagen positive Reaktionen. Nur 180 Leute auf einmal dürfen die Galerie betreten. Die Besucher müssen sich auf lange Wartezeiten einstellen, denn nur wenn ein Gast die Galerie verlässt, darf ein anderer hinein. Alle Besucher können so lange bleiben, wie sie mögen. So sind die Regeln.
Wer drinnen ist, sieht: Die Wände der Galerie sind kahl, der Raum ist hell erleuchtet, in der Mitte steht ein kleines Podest. Abramovic und ihre Assistentin wandeln durch die Galerie, nehmen Besucher an die Hand, gehen ein Stück mit ihnen. Dann legen sie ihnen die Hand auf den Rücken, flüstern ihnen zu, dass sie die Augen schließen und ruhig atmen sollen, und gehen weiter.
Die Perfomance in der Serpentine Gallery soll extremer werden als alles, was die 67-jährige Serbin bisher gemacht hat. Dabei kann es im Rückblick auf ihre Aktionen kaum extremer werden. Während ihrer großen Retrospektive 2010 im New Yorker Museum of Modern Art verbrachte sie 12 Tage in einem gläsernen Pavillon, aß nicht, sprach nicht, trank nur Mineralwasser und ging dreimal täglich vor den Augen der Besucher duschen. Kritiker bezweifelten den Kunstgehalt der Aktion. Und auch in diesem Jahr werden kritische Stimmen laut: "512 Hours" sei nichts Neues. Abramovic kultiviere mit ihrer Aktion lediglich ihre eigene Berühmtheit.
as/kle (dpa/sueddeutsche)