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Marco Polo - und wie ihn die Welt sah

Cristina Burack
19. März 2024

Auch 700 Jahre nach seinem Tod ist Marco Polo in aller Munde. Doch wer war der italienische Reisende, der seine Fahrt über die Seidenstraße bis ins Mongolenreich aufzeichnete? Und warum war sein Erbe umstritten?

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Gemaltes Portrait von Marco Polo (1254-1324)
Marco Polo (1254-1324) reiste im Mittelalter um die WeltBild: Bianchetti/Leemage/picture alliance

Marco Polo - das ist heute der klangvolle Name eines der bekanntesten Reisenden der abendländischen Geschichte. Im 13. Jahrhundert kannte niemand den jungen Mann, der zu seiner ersten Weltreise aufbrach. Er war erst 17 Jahre alt und hatte sein Zuhause noch nie verlassen. Als sein Vater und sein Onkel eines Tages wieder auf Handelsreise gingen, schloss er sich ihnen an. Aus der Reise wurde ein Lebensprojekt: 25.000 Kilometer legte Marco Polo zurück, 24 Jahre lang war er nonstop unterwegs.

Der 1254 in Venedig geborene Marco Polo bereiste zwischen 1271 und 1295 die Seidenstraße, eine mittelalterliche Handelsroute, die Europa mit Asien verband. Er verbrachte 17 Jahre in China, wo er eine wichtige Rolle im aufstrebenden Mongolenreich des Kublai Khan spielte.

Historische Darstellung des Marco Polo mit einer Karawane
Marco Polo mit einer Karawane unterwegs in PersienBild: akg-images/picture alliance

Nach seiner Rückkehr nach Italien arbeitete Polo mit dem Schriftsteller Rustichello da Pisa zusammen, um seine Reise zu dokumentieren. Das daraus entstandene Buch "Il Milione", im Deutschen bekannt unter dem Titel "Die Wunder der Welt", fand in ganz Europa Verbreitung. Es wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt und von der gebildeten Oberschicht gelesen, von Fürsten, Priestern und auch Seefahrern. So soll selbst Christoph Kolumbus auf seinen Eroberungsfahrten ein Exemplar bei sich getragen haben.

Marco Polo im Vergleich zu anderen Reiseschriftstellern

Marco Polo war jedoch nicht der erste Europäer, der das mittelalterliche China bereiste, und schon gar nicht der erste, der darüber berichtete. Laut Hyunhee Park, Geschichtsprofessorin an der City University of New York, dokumentierten muslimische Reisende bereits zuvor ihre Land- und Seereisen nach China.

Historische Abbildung zeigt Marco Polo, der vor einem Haus steht. Zwei Reiter mit Pferden sind davor zu sehen.
Wie fiktiv sind die Reiseberichte Marco Polos?Bild: CPA Media Co. Ltd/picture alliance

Polo beschrieb das mongolische Reich als eine große Zivilisation mit großen Städten. Das gefiel nicht allen, so Park: "Viele Europäer waren schockiert. Er wurde sogar als Lügner kritisiert."

Polos Beschreibungen wichen von den Konventionen anderer Reisender ab, die über außereuropäische Länder berichteten, erklärt Margaret Kim, Professorin für Fremdsprachen und Literatur an der National Tsing Hua University in Taiwan.

"Vor und nach Marco Polo vermittelten europäische Reiseschriftsteller moralische und religiöse Lehren, wenn sie fremde Orte und Menschen beschrieben. Das ist implizit in dem, was sie schrieben. Aber Polo hatte keinen Sinn für religiöse Lehren. In seinen Beschreibungen scheint er sich vor allem für die Landschaften und Bräuche der verschiedenen Kontinente interessiert zu haben. Er war ein sehr weltlicher Mensch." 

Polos Sichtweise unterschied sich von späteren europäischen Reiseberichten, die weitgehend vom Wunsch nach Eroberung und dem Gefühl zivilisatorischer Überlegenheit bestimmt waren. "Marco war erstaunt über den Reichtum und die Macht der mongolischen Herrscher zu einer Zeit, in der der Osten im Vergleich zum mittelalterlichen Europa als reich und wohlhabend galt. Seine Einstellung unterschied sich daher sehr von der späterer europäischer Entdecker und militanter Kolonialisten", erklärt

Zhang Longxi, Professor an der Yenching-Akademie der Universität Peking. Spätere Beschreibungen Chinas würden das Land als "rückständig" und "stagnierend" bezeichnen, nicht annähernd so großartig wie Europa.

Kontroversen um Marco Polos Reiseberichte

Marco Polos Schriften haben zahlreiche Kontroversen ausgelöst. Sie bestehen nicht aus einem einzigen verbindlichen Manuskript, sondern aus etwa 140 verschiedenen Fassungen. Unklarheit herrscht unter anderem über die Rolle von Rustichello, dem Mitautor Marco Polos bei der Niederschrift seiner Erlebnisse. Historiker bewerten seinen Einfluss unterschiedlich. Kim hält Polo für den Autor des Buches, der für Inhalt und Stil verantwortlich war, und geht davon aus, dass Rustichello die Vervielfältigung und Verbreitung überwacht haben könnte.

Buchcover des historischen Exemplars von "Marco Polos Reise"
1579 erschienen Marco Polos Erlebnisse als BuchBild: United Archives/picture alliance

Zhang Longxi hingegen meint, dass Polo zwar die Informationsquelle war, Rustichello aber den Inhalt des Buches manipuliert haben könnte: "Rustichello war ein Schriftsteller. Er erzählte die Geschichten von Marco Polo und schmückte sie wahrscheinlich mit zusätzlichen fantastischen Farben und Details aus, die den mittelalterlichen Lesern gefallen hätten", erklärt er. Im Vergleich zu anderen Werken der Reiseliteratur aus dieser Zeit seien Marco Polos Reiseberichte jedoch eher zurückhaltend in ihrer Fantasie, so der Experte weiter.

Der Mangel an Informationen über China und das Fehlen zuverlässiger Quellen haben einige Historiker, wie die bekannte Sinologin Frances Wood, dazu veranlasst, die Authentizität von Polos Beobachtungen generell in Frage zu stellen. Heute sind sich die Historiker jedoch einig, dass viele von Polos Beobachtungen so originell und außergewöhnlich sind, dass sie nicht erfunden sein oder ausschließlich auf Berichten aus zweiter Hand beruhen können - auch wenn Polo/Rustichello im Prolog ihres Buches deutlich machen, dass sie in ihrem Reisebericht auch Berichte aus zweiter Hand verwenden.

Andere Forscher wie Park haben inzwischen Quellen für Polos Beobachtungen nachgewiesen, unter anderem in chinesischen und islamischen Primärdokumenten wie den Schriften von Ibn Batutta, dem berühmten nordafrikanischen Forschungsreisenden des 14. Jahrhunderts.

Marco Polo: ein Mensch von heute

Heute, 700 Jahre nach seinem Tod, ist Marco Polo auch Nicht-Wissenschaftlern ein Begriff: Ein amerikanisches Billardspiel, ein angesagtes Modelabel, nicht wenige Reiseveranstalter und -führer sowie das "Snapchat für Babyboomer" nutzen seinen berühmten Namen. Die Bedeutung von Polo geht jedoch weit über seine Markenwirkung hinaus.

Für Kim zeige Polo, "dass die Welt Dinge enthält, die jenseits unserer Vorstellung von ihr liegen, und zwar auf eine Art und Weise, die uns verwirren und beunruhigen kann, an die wir uns aber anpassen können. Der 'imperiale Blick' ist also nicht das Eigentum irgendeiner Kultur oder Zivilisation. Und schon gar nicht ist er das ausschließliche Eigentum des Westens."

Für Zhang ist Polo in einer Zeit erhöhter Spannungen zwischen weiten Teilen des Westens und China eine Mahnung, dass nicht-antagonistische kulturelle Beziehungen möglich sind: "Marco Polo bietet ein alternatives Modell für Ost-West-Begegnungen und -Beziehungen, das für uns in der heutigen Welt sehr wertvoll ist. Es ist ein Modell des gegenseitigen Verständnisses und der Zusammenarbeit anstelle von erbitterter Rivalität und Konflikt".

Adaption aus dem Englischen: Sabine Oelze