Corona: Mangelnde Sicherheit bei Forschung in China
18. Januar 2021Für die chinesische Staatsführung steht längst fest: Das für die weltweite Pandemie verantwortliche Coronavirus stammt nicht aus China. Vielmehr sei es aus dem Ausland eingeschleppt worden, vermutlich bei Militärfestspielen im Oktober 2019 in Wuhan. Daher dort der erste große Ausbruch.
Auszuschließen ist das nicht. Schließlich gab es in Italien im November 2019 vermutlich einen ersten Corona-Fall, über den jüngst eine neue Studie erschienen ist. Allerdings gab es zur gleichen Zeit auch Berichte über Fälle in China, die die Staatsführung unter Verschluss hält.
Die Berichte über diese frühen Ausbrüche würde sich gerne auch das Expertenteam der WHO ansehen, das nach monatelangem Hickhack nun endlich doch nach China einreisen durfte, um den Ursprung des neuartigen Coronavirus zu erforschen. Zwar haben die Experten jetzt ihre Arbeit aufgenommen, aber nur virtuell, weil sie erst einmal für zwei Wochen in einem Hotel in Wuhan in Quarantäne sitzen.
Ursprünglich wollten sich die WHO-Experten auch das renommierte Institut für Virologie in Wuhan ansehen, das sich mit Forschungen zu Fledermäusen international einen Namen gemacht hat, das allerdings auch früh als möglicher Ursprungsort des hochaggressiven Virus genannt wurde.
Die chinesische Staatsführung wies dies stets als "reine Spekulation" zurück, in dem Labor gelte die Biosicherheitsstufe 4, ein Zusammenhang mit dem Coronaausbruch sei unmöglich. Entsprechend ist ein Institutsbesuch jetzt nicht mehr geplant.
Wie unbedarft aber einige Mitarbeiter des Wuhan Insitute of Virology (WIV) beim Umgang mit möglicherweise hochansteckenden Coronaviren agierten, zeigt eine Dokumentation, die der Staatssender CCTV bereits 2017 ausstrahlte. Zum Auftakt der WHO-Mission hat "Taiwan News" noch einmal über diese Dokumentation berichtet, nachdem die staatliche Zensur in China die Kritik an dem Institut für Virologie aus dem Netz löschen ließ.
Verstörendes Sicherheitsverständnis
Die Dokumentation zeigt eine Wissenschaftlergruppe rund um Shi Zhengli, auch bekannt als "Bat Woman", bei der Suche nach dem Ursprung von SARS. Obwohl ihnen klar sein sollte, dass die untersuchten Fledermäuse womöglich tödliche Viren wie SARS in sich haben, tragen einige Forschende bei der Untersuchung einer Höhle in Yunan keine Schutzausrüstung. Die gefangenen Fledermäuse werden mit bloßen Händen untersucht, womöglich hochinfektiöser Fledermauskot wird mit bloßen Händen weitergegeben.
Der Virenforscher Cui Jiu erzählt sogar, wie er von einer Fledermaus durch den dünnen Gummihandschuh gebissen wurde. Es sei "ein Gefühl, wie mit Nadeln gestochen zu werden", so der Virenforscher. Im Video wird dann auch die geschwollenen Bissstelle gezeigt, während der Sprechertext auf die Tatsache hinweist, dass Fledermäuse eine Vielzahl von potenten Viren übertragen können, darunter auch Tollwut, weswegen die Teammitglieder vor jeder Probenahme vor Ort mit dem Tollwutimpfstoff geimpft würden.
Gewöhnlicher Schutz sollte reichen
Die Dokumentation zeigt ungewollt, dass die Sicherheitsvorkehrungen nicht nur bei der Untersuchung in der Höhle, sondern auch im Labor vergleichsweise lax gehandhabt wurden. Bei der Untersuchung der in Yunan gesammelten Proben tragen die Labortechniker zwar Handschuhe und einen Kittel, aber keine Schutzkleidung oder eine Atemschutzmaske.
Laut der Fledermausexpertin Shi Zhengli sei "dieser Job nicht so gefährlich, wie alle denken". Obwohl Fledermäuse viele Viren in sich tragen, "ist die Wahrscheinlichkeit einer direkten Infektion des Menschen sehr gering", so Shi Zhengli.
Wenn ihre Forscher wissen, dass Fledermäuse an einem bestimmten Ort ein Virus in sich tragen, das auf den Menschen übertragen werden kann, dann werden sie größere Vorsichtsmaßnahmen treffen, aber "in den meisten Fällen wird nur ein gewöhnlicher Schutz angewendet."
Neue Erkenntnisse zum Ursprung?
Das erneut veröffentlichte Video zeigt sicherlich nicht den "Patienten Null" dieser aktuellen Pandemie und es gibt auch keine klaren Erkenntnisse über den Ursprung des neuartigen SARS-CoV-2-Virus. Aber es wirft viele Fragen auf, die sicherlich auch das WHO-Team gerne beantwortet hätte. Die laxen Sicherheitsvorkehrungen schockieren, schließlich dürfte den Experten vom Wuhan Institute of Virology (WIV) hinreichend bekannt sein, dass diese Fledermäuse hochaggressive Viren in sich tragen können, die leicht auf den Menschen überspringen können.
Sicherlich wäre es für die WHO-Experten sehr interessant zu erfahren, ob möglicherweise doch angesichts der laxen Sicherheitsvorkehrungen eine Infektion stattgefunden hat? Hat der gebissene Wissenschaftler irgendwelche Krankheitssymptome gezeigt? Wurde er überhaupt auf Coronaviren und Antikörper gegen solche Viren getestet?
Künftige Pandemien gemeinsam verhindern
Im Mai 2020 hatten alle 194 WHO-Mitgliedstaaten gemeinsam eine unabhängige Untersuchung des Virusursprungs beschlossen. Auch China hatte einer solchen Untersuchung zugestimmt. Dann aber blockte China monatelang. Obwohl es schließlich über jedes einzelne Mitglied des zehnköpfigen Expertenteams mitbestimmen konnte, zeigte sich Peking im Vorfeld der Mission nicht wirklich kooperationswillig.
Entsprechend hat denn auch niemand große Erwartungen an diese Expertenreise, auch nicht die beteiligten Forschenden aus aller Welt. Noch ist völlig unklar, was ihre chinesischen Wissenschaftskolleginnen und -Kollegen preisgeben dürfen und was das Team letztlich zu sehen bekommt.
Gerade in Hinblick auf künftige Pandemien sollte es aber im Interesse der internationalen Staatengemeinschaft und auch Chinas liegen, mehr über den Ursprung des aktuellen SARS CoV-2 Virus zu wissen. Dabei geht es nicht um Schuldzuweisungen, sondern um einen wirksameren Schutz vor tödlichen Zoonosen, die durch nur einen Biss erschreckend schnell zum globalen Problem werden können.