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Mandela - Der lange Weg zur Freiheit

Maren Gottschalk5. Februar 2014

Lässt sich Mandelas Leben verfilmen? "Der lange Weg zur Freiheit" versucht es und ist für viele Kritiker gescheitert. Mandela-Biographin Maren Gottschalk kann dem Film auch Positives abgewinnen.

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Filmszene Mandela, Long Walk to Freedom
Bild: Pathe UK

Ehrlich gesagt: Ich hatte Angst, diesen Film zu sehen. Als Biographin habe ich fast alles, was es gibt, über Nelson Mandela gelesen und meine Horrorvorstellung sah deshalb so aus: Ich würde während der Vorstellung aufstehen müssen, um den Leuten im Kino zuzurufen "Hey, glaubt nicht, was Ihr da seht, es war alles ganz anders!"

Aber das passierte nicht. "Mandela - Der lange Weg zur Freiheit" ist kein schlechter Film, auch wenn er viele schlechte Kritiken bekommen hat. Aus Cineasten-Sicht ist er sicher kein Meisterwerk, aber man muss den Film nach dem beurteilen, was er erzählen will und kann. Dann ist er streckenweise sogar ein guter Film, weil er es schafft, einen Helden, eine Legende, als Menschen zu zeigen.

Anderer Blick auf die Apartheid

Der Film folgt der Autobiographie Mandelas, indem er die Schlüsselszenen seines Lebens nacherzählt. Leider lässt er die Jugend- und Studentenzeit weg, genau die Zeit, in der Mandela nichts anderes sein wollte, als ein angepasster black Englishman. Für einen Moment nehme ich dem Regisseur diese Auslassung übel, aber dann bin ich auch schon gefesselt davon, wie er die Apartheid zeigt. Keine schuftenden Hausangestellten, keine Minenarbeiter, keine Chauffeure und Gärtner, dafür Mandela, der erste schwarze Anwalt Südafrikas und eine weiße Klägerin. Ihre Empörung darüber, dass Mandela sie befragt.

Szene aus Film: "Mandela - Der lange Weg zur Freiheit"
Idris Elba als Nelson Mandela (l) und Naomie Harris als Winnie verliebt in einer Szene des Films "Mandela - Der lange Weg zur Freiheit"Bild: picture-alliance/dpa

Ein Richter, der den hochqualifizierten Anwalt als boy bezeichnet. Ein Mann, der Mandela anrempelt und ihn dafür beschimpft. Das ist die Petty Apartheid, die "kleinliche" Rassentrennung. Dann zeigt der Film die hässliche Fratze des Systems beim Massaker von Sharpville - Bilder, die schon 1960 um die Welt gingen, die aber niemand sehen wollte und die jüngere Zuschauer nicht kennen können: Die Polizei schießt auf unbewaffnete Demonstranten, tötet 69 Menschen und verletzt 180. Fast überhört man die Frage des Polizeichefs, der seinen Leuten befiehlt, zwischen den Leichen nach Waffen zu suchen. Er will unbedingt eine Waffe finden, um seinen brutalen Schießbefehl zu rechtfertigen. Ich frage mich, ob das jemand (außer mir) mitbekommt. Denn da folgt schon die nächste Szene und ich schiebe die Bilder unverdaut weg, um Platz für neue zu machen.

Leben im Schnelldurchgang

Die Aneinanderreihung "großer Momente" in Mandelas Leben strengt an und verhindert das Einfühlen, das Durchleben. So gehen auch die 27 Jahre Gefängnis viel zu schnell vorbei. Plötzlich hat Idris Elba - der als Mandela großartig ist - graue Haare und noch müdere Augen als zuvor. Als in den 80er Jahren die jungen Kämpfer auf die Gefängnis-Insel verbannt werden, wollen sie die berühmten ANC-Führer sehen. Sie entdecken Mandela beim Tomatenzüchten und schütteln verächtlich den Kopf. Genauso hat er es in seiner Autobiographie erzählt, aber es reicht nicht, diese Momente nachzustellen. Jetzt wäre der Moment da, um zu zeigen, wie tiefgehend die Apartheid die Seelen der Menschen zerstört hat, gerade die der wütenden jungen Generation, die sich den Slogan "Macht Südafrika unregierbar" auf die Fahnen geschrieben hat.

Idris Elba spielt Nelson Mandela
Idris Elba spielt Nelson MandelaBild: picture-alliance/dpa

Immerhin: Der Film nimmt sich Zeit für Winnie Mandelas Geschichte. Für den Freiheitskampf der Schwarzen ist sie sehr wichtig, denn sie hat immer wieder den Mut gehabt, an die Inhaftierten zu erinnern, als deren Namen öffentlich nicht genannt werden durften. Dafür wird sie von der Polizei drangsaliert und gequält. Als sie das Gefängnis nach vielen Monaten Isolationshaft verlässt, ist sie nicht mehr dieselbe. Sie hat den Hass gelernt und wird später zu Mord und Totschlag aufrufen. Mandela hingegen wird im Gefängnis zum weisen König.

Keine Kraft mehr zum Trauern

Die letzten Jahre der Haft, die Verhandlungen, die Freilassung, die Sorge um den drohenden Bürgerkrieg erzählt der Film pflichtbewusst, aber lieblos. Berühmte Fotos werden nachgestellt bis ins Detail. Das berührt nicht mehr.

Filmplakat
Filmplakat von "Mandela - Der lange Weg zur Freiheit"

Der Film hat starke Bilder. Die Einsamkeit des Mannes, der eigentlich nicht zum Helden geboren war, wird nie so deutlich wie in dem Moment, als er im Gefängnis vom Tod seines Sohnes Thembi erfährt. Keine Tränen, keine Worte. Das ist ein Bild, das bleibt.

Maren Gottschalk ist Autorin des Buchs "Die Morgenröte unserer Freiheit. Die Lebensgeschichte des Nelson Mandela". Beltz und Gelberg, Weinheim 2013