Malische Flüchtlinge wollen zurück
28. Dezember 2012Es ist Zeit für das Nachmittagsgebet im Flüchtlingslager Sag-Nioniogo in Burkina Faso. Die Sonne steht schon etwas tiefer, aber brennend heiß ist es trotzdem noch. Mit Steinen haben einige Flüchtlinge auf dem staubigen Boden ein Gebets-Feld abgesteckt. In einer langen Reihe knien sie gemeinsam nieder, die meisten tragen den traditionellen Gesichtsschleier der Tuareg. Zum Abschluss des Rituals grüßen sich die Gläubigen mit der Formel "Friede sei mit Dir".
Frieden haben sie hier endlich gefunden. Viele der Flüchtlinge waren lange unterwegs, um vor der Gewalt von islamistischen Rebellen und Banditen im Norden Malis zu fliehen. Hammadou Ongoiba ist vor einer Woche gemeinsam mit Frau und Kindern aus seiner Heimatstadt Douentza im Norden Malis aufgebrochen. Ihre Habseligkeiten mussten sie zurücklassen.
Hauptsache weit weg
"Anfang September sind die Rebellen der Mujao, der Bewegung für Einheit und Jihad in Westafrika, auf Pickup-Trucks in unsere Stadt gekommen", erzählt er im Gespräch mit der DW. "Sie behaupten, sie seien religiös." Aber was sie tun, das habe nichts mit Religion zu tun. Dieben würden sie Hände oder Füße abhacken, mutmaßliche Ehebrecher steinigen. "Und selbst nehmen sie sich Frauen für Sex!", erklärt Ongoiba. "Sie haben uns fertig gemacht und deshalb sind wir jetzt hier."
Ongoiba und seine Familie haben sich gerade erst als Neuankömmlinge registrieren lassen. Sag-Nioniogo ist eines von sechs Flüchtlingslagern in Malis Nachbarland Burkina Faso. Mit entspanntem Lächeln zeigt Ongoiba die Flüchtlingsbescheinigung der Vereinten Nationen. Er und seine Familie haben damit die Gewissheit, dass sie hier bleiben dürfen, 200 Kilometer vom Norden Malis entfernt. Trotzdem hofft Ongoiba, dass er und seine Familie bald in ihre Heimat zurückkehren können.
Streit um Militäreinsatz
Diese Hoffnung hat die Familie von Naim Ben Mohammed schon fast aufgegeben. Nur einige Meter entfernt von der Unterkunft der Ongoibas haben sie ein Zelt bezogen. Bereits im April flohen sie vor den Islamisten aus Timbuktu, zunächst in ein anderes Lager und nun weiter weg von der malischen Grenze nach Sag-Nioniogo. Die betagten Großeltern mussten sie in Timbuktu zurücklassen.
"Deshalb bin ich auch gegen eine internationale Militärintervention in Mali", erklärt Mohammed. Er befürchtet, dass ausländische Soldaten nicht zwischen Rebellen und Zivilisten unterscheiden können. "Ein Militäreinsatz könnte böse Folgen haben, wenn er denn jemals beschlossen wird."
Der mögliche Militäreinsatz afrikanischer Truppen im Norden Malis wird im Lager heiß diskutiert. Im Gegensatz zu Mohammed sind viele Flüchtlinge dafür. Sie hoffen, dass ausländische Soldaten ihre Heimat schnell von den Islamisten befreien.
Angehörige der Tuareg-Volksgruppe wie Mohammed setzen eher auf Verhandlungen zwischen der Regierung in Bamako und den Rebellen im Norden. Neben den humanitären Folgen einer Intervention fürchten sie auch, dass ihr Traum von mehr Autonomie für die Tuareg mit einem neuen Krieg für immer zerplatzt.
100.000 neue Flüchtlinge?
Auch wenn die Planungen für einen Militäreinsatz nur sehr schleppend vorangehen: Hugo Reichenberger vom UN-Flüchtlingshilfswerk in Burkina Faso stellt sich bereits darauf ein. Er ist aus der nahen Hauptstadt Ouagadougou nach Sag-Nioniogo gekommen, um das neu eröffnete Lager zu besichtigen. Er trägt Jeans, ein weißes T-Shirt und darüber eine Weste im Himmelblau der Vereinten Nationen.
"Wir arbeiten schon an einem Notfallplan", erklärt Reichenberger. Wenn es zu einer Intervention komme, werde die Zahl der Flüchtlinge weiter steigen. "Das könnten allein in Burkina Faso noch einmal 100.000 Flüchtlinge aus Mali sein", so Reichenberger. "Das sind momentan aber nur Schätzungen, mit denen wir arbeiten."
Zunächst will Reichenberger jedoch für die sorgen, die schon hier sind. Es fehle noch an vielem, weil die Geberländer aus dem Westen recht spät auf die Krise in Mali reagiert und nicht ausreichend Hilfsgelder zugesagt hätten. "Wir haben zwar eine Grundschule, aber noch keine Schule für ältere Kinder" so Reichenberger. "Und als nächstes wollen wir bessere Unterkünfte schaffen, in der traditionellen Bauweise der Nomaden." Die werde man bald brauchen. Ein Blick hinüber zum improvisierten Registrierungsbüro des UN-Flüchtlingshilfswerks bestätigt das. Dort stehen Neuankömmlinge aus Mali Schlange unter einem Strohdach. Auch sie suchen Frieden in Sag-Nioniogo.