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Mali hat wieder eine Regierung

Katrin Matthaei12. Dezember 2012

Nach dem Putsch in Mali soll der neue Regierungschef Diango Sissoko das tief gespaltene Land aus der Krise führen. Unklar sind die Folgen für die geplante UN-Mission im Norden.

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Soldat Militär Mali September 2012 (Foto: HABIBOU KOUYATE/AFP/GettyImages)
Bild: Habibou Kouyate/AFP/GettyImages

Mali hat einen neuen Ministerpräsidenten: Diango Sissoko. Er wurde am Dienstag (11.12.) von Übergangspräsident Dioncounda Traoré zum Regierungschef ernannt. Im malischen Fernsehen kritisierte Sissoko seinen kurz zuvor gestürzten Vorgänger: Cheick Modibo Diarra habe als Bremser gewirkt und die Autorität des Präsidenten nicht anerkannt. 

Damit bewegt sich Sissoko auf die Putschisten um Hauptmann Amadou Sanogo zu. Unter dessen Befehl war in der Nacht zuvor der Chef der Übergangsregierung Diarra in seinem Haus festgesetzt worden. Wenige Stunden nach seiner Freilassung erklärte Diarra im Staatsfernsehen seinen Rücktritt und den der Übergangsregierung. Es wird spekuliert, dass Putschist Sanogo eine Reise Diarras nach Frankreich verhindern wollte. Dort wollte der 60-Jährige offenbar auch informelle Gespräche mit der französischen Regierung über die geplante militärische Intervention im Norden des Landes führen.

Hauptmann Amadou Sanogo ist kein Unbekannter: Er war es, der am 22. März den damaligen Präsidenten Amadou Toumani Touré gestürzt hatte. Damals riefen ihn Sanktionen der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) zur Raison und Sanogo stimmte einer Übergangsregierung zu.

Amadou Sanogo im April 2012, nach dem ersten Putsch (Foto: EPA/TANYA BINDRA)
Amadou Sanogo (Mitte) im April 2012, nach dem ersten PutschBild: picture-alliance/dpa

Mit dem Putsch gegen Premier Diarra wird offensichtlich, dass Sanogo seinen Machtanspruch nicht aufgegeben hat und seinen nach wie vor großen Einfluss innerhalb des Militärs weiter nutzt. "Er sah sich und seine Interessen in der Übergangsregierung nicht ausreichend repräsentiert. Dieser Teil des Militärs hatte das Gefühl, dass er nicht von der politischen Macht in Bamako profitiert", sagt Julia Leininger, Mali-Expertin am Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE) im Gespräch mit der DW. Vom neuen Ministerpräsidenten Sissoko erwartet sich Sanogo offenbar mehr Entgegenkommen.

Putschisten verhindern Verhandlungen mit Tuareg-Rebellen

Leininger vermutet hinter dem Putsch auch einen Zusammenhang mit der Krise im Norden des Landes, der seit April von islamistischen Gruppen kontrolliert wird. Dort gebe es einen florierenden Handel mit Schmuggelwaren, von dem auch Teile des Militärs und der malische Staatsapparat profitierten, sagt die Mali-Expertin. "Das ist ein Handel von Kriminellen, die ihre Waren nach Nordafrika oder Europa durch die Sahelzone schmuggeln. Da geht es um ein großes Geschäft".

Dr. Julia Leininger, Afrika-Koordinatorin in der Abteilung "Governance, Staatlichkeit und Sicherheit" am Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE).
Julia Leininger vom DIEBild: DIE

Ein Geschäft, das Sanogo in Gefahr sah. Der Grund: Ministerpräsident Diarra hatte kürzlich Verhandlungen mit den Tuareg-Rebellen der MNLA-Bewegung aufgenommen. Die hatten im April mit den Islamisten die Abspaltung des Nordens vorangetrieben, waren dann aber selbst ins Hintertreffen geraten. Bei den Verhandlungen war es um mögliche Zugeständnisse für mehr Autonomie und um Einnahmequellen für die Tuareg gegangen. Dafür, so die Hoffnung der Regierung, hätten sie die geplante internationale militärische Intervention unterstützt.

Putschisten gegen internationalen Militäreinsatz

Doch mit Verhandlungen ist nun vorerst Schluss - Diarra ist abgesetzt. Damit erlitt er das gleiche Schicksal wie Ex-Präsident Amadou Touré: Auch er hatte versucht, den Jahrzehnte andauernden Konflikt mit den Tuareg politisch statt militärisch zu lösen.

Westafrikas Staatschefs bei einem ECOWAS-Treffen (Foto: PIUS UTOMI EKPEI/AFP/Getty Images)
Die ECOWAS hat einem gemeinsamen Militäreinsatz bereits zugestimmtBild: PIUS UTOMI EKPEI/AFP/Getty Images

Sanogo will keine fremden Truppen im Land. Stattdessen fordert er, dass die malischen Truppen mit internationaler Hilfe in die Lage versetzt werden, den Norden aus eigener Kraft zurückzuerobern. "Es gibt einen hohen innenpolitschen Druck und es ist sehr wahrscheinlich, dass das malische Militär in den nächsten Wochen möglicherweise selbst und ohne internationale Unterstützung versuchen wird, den Norden zurückzuerobern", sagt Annette Lohmann, Leiterin der Friedrich-Ebert-Stiftung in Malis Hauptstadt Bamako. Dann könnte ein zermürbender Stellungskrieg beginnen, "ohne dass es eine klare Bewegung in die eine oder andere Richtung gibt", so Lohmann. Entsprechend nannte der neue Ministerpräsident Sissoko die Rückeroberung des Norden als Priorität - zu einem möglichen internationalen Eingreifen äußerte er sich zunächst nicht.

Putsch spaltet internationale Gemeinschaft

Mit seinem Putsch hat Sanogo auch die internationale Gemeinschaft weiter polarisiert. Nach wie vor herrscht Uneinigkeit darüber, ob die ECOWAS-Truppen ein UN-Mandat erhalten sollten. So drängt Frankreich, ehemals Kolonialmacht der Region, nun noch stärker auf ein militärisches Eingreifen. Außenminister Guido Westerwelle dagegen machte deutlich, dass die von Deutschland und der Europäischen Union in Aussicht gestellte Unterstützung zur Befriedung Nordmalis immer unter Vorbehalt eines politischen Prozesses erfolgt sei. Aus Brüssel heißt es wiederum, die Vorbereitungen für die von der Europäischen Union beschlossene Trainingsmission würden trotz des Putsches fortgesetzt. "Die Mission ist stark durch das Machtvakuum in Bamako bedroht. Premierminister Diarra war für ein schnelles Eingreifen, diese Kraft fällt jetzt weg", sagt Julia Leininger vom DIE.

Soldaten der malischen Armee (Foto: REUTERS/Luc Gnago (MALI - Tags: POLITICS CIVIL UNREST MILITARY)
Soldaten der malischen ArmeeBild: Reuters

Mit der Ernennung von Ministerpräsident Sissoko hat Mali offiziell wieder eine Regierung. Dennoch bleibt die Lage angespannt. Verhältnisse wie etwa in Somalia drohten aber nicht, sagt Annette Lohmann von der Friedrich-Ebert-Stiftung. Die Einheit des Staates sei nicht in Gefahr: "Da besteht wirklich Konsens unter allen Akteuren. Sie alle sehen die Einheit des Landes als oberste Priorität." Die beschwor auch der neue Ministerpäsident unmittelbar nach seiner Vereidigung.