1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Mali und die Angst vor den Islamisten

Alexander Göbel, zurzeit Bamako6. Februar 2014

Seit einem Jahr beteiligt sich die Bundeswehr an einer EU-Mission zur Stabilisierung der Lage in Mali. Zurzeit besucht Verteidigungsministerin von der Leyen das Land. Was sie dort vorfindet, ist keine Erfolgsgeschichte.

https://p.dw.com/p/1B3dv
Bundeswehrsoldaten der europäischen Trainingsmission EUTM bilden malische Soldaten aus (Foto: dpa)
Bundeswehrsoldaten bilden in Mali Pioniere ausBild: picture-alliance/dpa

Langsam kehrt das Leben zurück nach Gao. Untrügliches Zeichen: In der Stadt am Niger-Fluss im Norden Malis ist die "Euro-Bar" wieder geöffnet - in einem zerschossenen Hinterhof ohne Dach, dafür aber mit Strom, wenigstens für ein paar Stunden. Musik dröhnt aus den Lautsprechern, das Bier ist kalt.

Ein Kneipenbesuch in der ehemaligen Islamistenhochburg Gao ist noch immer riskant, vor einiger Zeit aber war er völlig undenkbar. Im Frühjahr 2012 wurde Gao wie auch die Stadt Timbuktu erst von Tuareg-Rebellen besetzt und dann von radikalislamischen Terroristen - in Timbuktu war es Al Kaida, in Gao eine noch grausamere Gruppe namens MUJAO.

Basketball spielen, wo früher Schüsse fielen

Die selbst ernannten Heiligen Krieger machten Gaos Platz der Unabhängigkeit zum Platz der Scharia. Wer nicht gehorchte, wurde hier in aller Öffentlichkeit ausgepeitscht, gesteinigt, erschossen. "Es war sehr gefährlich", erinnert sich der 17-jährige Agali. "Wir durften gar nicht rausgehen. Die Islamisten haben uns Angst gemacht. Auf diesem Platz hier haben sie die Bevölkerung gequält. Das ist aber jetzt vorbei. Ich fühle ich mich sehr gut. Ich bin frei."

Heute kann Agali genau hier wieder Basketball spielen. Den französischen Truppen der Mission Serval ist er dafür sehr dankbar, denn sie haben im Frühjahr 2013 gemeinsam mit malischen und anderen afrikanischen Soldaten die Islamisten vertrieben. An die schweren Gefechte erinnern die Ruinen von Post, Rathaus und Polizeizentrale.

Ein französischer Soldat spricht während der Operation 'Hydra' am 1. November 2013 mit Menschen in Temera (Nordmali)
Die Malier befürchten eine Verringerung der westlichen TruppenpräsenzBild: PHILIPPE DESMAZES/AFP/Getty Images

Heute sind in Gao immerhin wieder einige Schulen und Geschäfte geöffnet. Doch stabil sei Gao - sei der gesamte Norden - noch lange nicht, sagt die Radiomoderatorin Aminata Maiga: "Ich habe nicht das Gefühl, hier in Sicherheit zu leben. Ein paar Kilometer von hier kann man nicht einmal zum Markt gehen, ohne dass man um sein Leben fürchten muss. Und wir wissen nicht einmal, ob diese Leute Islamisten sind oder bewaffnete Banditen. Jedenfalls muss uns die Armee vor ihnen schützen."

Furcht vor Rückkehr der Islamisten

Trotz Checkpoints, trotz aller Patrouillen durch UN-Blauhelme und französische Truppen: Fast täglich werden in der Region Überfälle oder Anschläge gemeldet. Gerade erst explodierten wieder Granaten vor dem französischen Camp 1 am Flughafen von Gao. Weiter im Norden, in Kidal, in der Hochburg der sogenannten Tuareg-Befreiungsbewegung MNLA, herrscht völlige Anarchie. Vordergründig geht es den schwer bewaffneten Rebellen um die Unabhängigkeit eines Tuareg-Gebietes namens Azawad. Dahinter stecken andere Motive: Raub, Schmuggel, ethnischer Hass, Terrorismus.

Tuareg-Rebellen der Azawad Befreiungs-Bewegung MNLA (Foto: KENZO TRIBOUILLARD/AFP/Getty Images)
Tuareg-Rebellen der Azawad Befreiungs-Bewegung MNLABild: KENZO TRIBOUILLARD/AFP/Getty Images

"Malis Norden ist riesig, das Land ist weit und extrem schwer zu kontrollieren", erklärt Abdourahmane Dicko, Programmleiter der Friedrich-Ebert-Stiftung in Mali. "Jeder, der Böses tun will, kann hier mit seinem Sprengstoffgürtel reinkommen, ob mit dem Auto, dem Motorrad oder zu Fuß. Noch immer gibt es bei uns hier oben keinen funktionierenden Staat, das Gebiet ist eine Art rechtsfreier Raum. Es ist sehr schwer, rechtzeitig zu reagieren."

Radiomoderatorin Maiga will nicht daran denken, dass Frankreich seine Truppen bald auf 1000 Mann reduzieren wird. Die Islamisten, fürchtet sie, könnten nach Gao zurückkehren. In die malische Armee hat sie kein Vertrauen. Das könnte sich bald ändern, denn die von der europäischen Trainingsmission EUTM ausgebildeten malischen Soldaten wollen beweisen, dass sie ihr Land schützen können.

Malis Armee hofft auf erweiterte Ausbildungsmission

"Das Ziel jeder Armee ist es, die territoriale Einheit der Nation zu verteidigen", sagt Militärsprecher Souleymane Maiga. "Wir wollen in der Lage sein, für die Einheit Malis zu kämpfen, und deshalb rekrutieren wir mehr Soldaten. Aber wenn wir mehr Truppen haben und zugleich dieses neue, professionelle Niveau der malischen Armee halten und ausbauen wollen, dann brauchen wir auch eine erweiterte Ausbildungsmission."

Französische Soldaten vor einem UN-Helikopter in der französischen Militärbasis von Gao (Foto: JOEL SAGET/AFP/Getty Images)
Frankreich engagierte sich als erstes in MaliBild: JOEL SAGET/AFP/Getty Images

Vier Bataillone sind schon gedrillt, unter anderem auch von der Bundeswehr, insgesamt sind es mehr als 2500 Mann. Oberstleutnant Maiga wünscht sich, dass es noch viel mehr werden - und das möglichst schnell.