Mali darf nicht scheitern
28. Juli 2015Die Hauptstadt Bamako ist eine typische Metropole in Subsahara-Afrika: Das Leben spielt sich auf der Straße ab - bunt, wuselig, ungeschriebenen Gesetzmäßigkeiten folgend, die sich dem Nichtkenner entziehen.
Mali hat viele Probleme: Armut, Perspektivlosigkeit, Terrorismus. Genau die Mischung, die Menschen dazu bringt, Afrika zu verlassen und in Europa ihr Glück zu suchen. Auch um das zu verhindern, sind internationale Soldaten, Polizisten und zivile Helfer hier. Und deshalb ist auch Ursula von der Leyen da, die deutsche Verteidigungsministerin. Nur, wenn an allen Schrauben gleichzeitig gedreht werde, davon sei sie überzeugt, könne verhindert werden, dass Mali ein gänzlich gescheiterter Staat wird, in dem Separatisten, kriminelle Banden und Terroristen das Sagen haben. "Nur die Tatsache, dass sie in Mali für sich eine Zukunft sehen, wird die Menschen von der Flucht abhalten", sagt von der Leyen. "Sie müssen bereit sein, dieses Land nach vorne zu bringen und hierzubleiben."
Keine Zweifel aufkommen lassen
Das Land nach vorne zu bringen, ist eine Mammutaufgabe. Alles, was die internationale Staatengemeinschaft in zweieinhalb Jahren aufgebaut hat, könnte in kürzester Zeit wieder zerstört werden. Wenn man nicht dranbleibt, wenn man nicht große Räder dreht in diesem riesigen Land.
Die internationalen Bemühungen konzentrieren sich auf die dünnbesiedelten Wüstengebiete im Norden, auf das Land der Tuareg. Es ist das Wirkungsgebiet von Waffen- und Menschenschmugglern sowie aus Libyen eingesickerter Terroristen, die einen islamischen Staat errichten wollen. Die Dschihadisten haben kein Problem, unter den jungen arbeitslosen Tuareg Nachwuchs anzuwerben. Sechs Führer der Tuareg hat von der Leyen am Dienstagmorgen zum Gespräch in ihr Hotel gebeten. Sie wollen, so sagen sie, dass Frieden herrscht, dass der vor kurzem ausgehandelte Friedensvertrag Bestand hat. Und sie wollen, dass die Terroristen verjagt werden, die ihr Volk töten, wie sie sagen.
Kann man ihnen trauen? Haben sie Interesse an einem starken malischen Staat? Die Ministerin lässt sich ihre Skepsis nicht anmerken. Kein Zweifel an der friedlichen Perspektive für Mali soll aufkommen.
Gefährlicher Einsatz
Dabei ist die bisherige Bilanz des internationalen Engagements bescheiden. Nach gut zwei Jahren hat sich die Situation im Norden nur wenig verbessert. Zur Zeit sind die 11.000 Soldaten, die unter dem UN-Mandat Minusma hier für Ordnung sorgen sollen, damit beschäftigt, Kasernen in die Wüste zu bauen. Man braucht Basen und Rückzugsmöglichkeiten, wenn die Pickups kommen mit den vermummten schwerbewaffneten Terroristen. Der Bau der Kasernen wird noch Monate dauern. Bis dahin sind 70 Prozent der Truppen nur mit Eigenschutz beschäftigt. Dabei sollen sie die Verkehrswege offenhalten und Zivilisten beschützen.
Trotzdem ist der deutsche Minusma-Offizier Markus Milde optimistisch: "Wenn die Kasernen einmal fertig sind, dann werden wir immer mehr Soldaten in die Fläche schicken. Dann geht es wieder bergauf mit dem Norden." Oberstleutnant Milde ist Optimist, das merkt man. Er ist einer von nur sieben Deutschen in diesem UN-Blauhelm-Einsatz.
Eine verkürzte Grundausbildung
Die weitaus meisten deutschen Soldaten, 160 an der Zahl, sind hier in anderer Mission. Die sie für die nächsten zehn Monate auch leiten werden. "EUTM", die EU-Trainingsmission, hat die Aufgabe, die malische Armee, insbesondere die Pioniere und die Infanterie, auszubilden. Es ist nicht mehr als eine verkürzte Grundausbildung. Aber selbst das ist mehr als ein durchschnittlicher malischer Soldat jemals an Schulungen bekommt.
Die Kalaschnikows sind älteren Baujahrs. Aber das sei nicht schlimm, sagt ein deutscher Offizier. "Die AK-47 ist das robusteste Sturmgewehr der Welt, aber man muss auch damit umgehen können." Vor drei Jahren hatten die malischen Streitkräfte dem Vorstoß der Rebellen und Terrormilizen nichts entgegenzusetzen. Sind sie jetzt kampfstärker? Diese Frage beantwortet der Offizier mit einem vielsagenden Lächeln und sagt: "Ein bisschen."
Langer Atem nötig
Der Weg, der vor Mali liegt, ist noch sehr weit, weiß auch Ursula von der Leyen. Sie glaubt, in den letzten zweieinhalb Jahren einen "mühsamen Fortschritt mit vielen Rückschlägen" in Mali zu erkennen. Deshalb müsse die Bevölkerung jetzt, nach Abschluss des jüngsten Friedensabkommens, schnell Fortschritte spüren. In Form von besserer Wasserversorgung, mehr Stunden Strom am Tag und anderen Erleichterungen im Alltag. Darum kümmern sich zur Zeit internationale Experten unter Hochdruck.
Und noch etwas betont die deutsche Verteidigungsministerin immer wieder: "Mali braucht einen nachhaltigen Ansatz. Und wir brauchen einen langen Atem, müssen uns länger engagieren!" Was das in Jahren heißt, sagt sie nicht. Aber es schwingt unausgesprochen ein Satz mit: Mali darf nicht scheitern.