Klimawandel: Moskitos und Krankheiten breiten sich aus
2. November 2017Vor etwa zehn Jahren ist die Asiatische Tigermücke Aedes albopictus in Deutschland angekommen. Damals haben Forscher der Universität Heidelberg den lästigen Blutsauger erstmals in einer Insektenfalle nachgewiesen – in der Nähe einer Autobahn bei Weil am Rhein.
Seitdem hat sie sich im Südwesten Deutschlands rasend schnell breit gemacht. "2015 kam es zur ersten Massenvermehrung in Freiburg", erinnert sich der Parasitologe Norbert Becker. "Dort sind die Menschen in einer Gartenanlage massiv verstochen worden. Sie konnten sich tagsüber nicht mehr im Garten aufhalten, weil die Tigermücken im Gegensatz zu unseren heimischen Mücken tagaktiv sind." Es folgten Funde in weiteren deutschen Städten: Heidelberg, Lörrach, Karlsruhe und Sinsheim. "Es geht immer weiter nach Norden", sagt Becker.
Nicht nur, dass sie stechen – Tigermücken können auch gefährliche Viren übertragen: Zika, Dengue oder Chikungunya. Diese Viren sind in Deutschland noch nicht übertragen worden, aber die Mücken sind bereits da und so ist auch die Gefahr einer Übertragung gestiegen, wenngleich sie zur Zeitrecht gering ist.
Mücken reisen im Güterverkehr
Im Mittelmeerraum gab es bereits Fälle von Infektionen, etwa in Griechenland, Südfrankreich und Kroatien. Die wichtigste Rolle bei der Ausbreitung der Tigermücke spielte dort der Güterverkehr.
Die Tigermücke kam bereits in den 1970er Jahren nach Europa. Zuerst trat sie in Albanien auf. Wahrscheinlich war sie mit Güterlieferungen aus China eingereist. Aufgrund der politischen Isolation des Landes, blieb sie dort zunächst auch.
Erst im Jahr 1990 wurde die Tigermücke mit gebrauchten Autoreifen in einem Containerschiff aus den USA ins italienische Genua verschleppt. Bei Regen sammelte sich Wasser in den Reifen, die Mückenlarven schlüpften und es kam zu einer massiven Vermehrung der Tigermücken in Italien. Seit der Jahrtausendwende hat sich die Tigermücke dann – an Bord von Fahrzeugen wie PKWs, LKWs, Wohnwagen und Schiffen - fast entlang des gesamten Mittelmeeres ausgebreitet - bis nach Spanien.
Hohe Temperaturen sind gut für Mücken und Viren
Mit der Tigermücke kamen dann auch die Viren: So gab es im Mittelmeerraum von Madeira bis nach Kroatien bereits Dengue-Fälle. Dramatisch war der Ausbruch des Chikungunya Virus im Sommer dieses Jahres in Italien.
"Wir hatten in den Sommermonaten extrem heiße Temperaturen", erinnert sich der Arzt und Virologe Jonas Schmidt-Chanasit vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM). "Das hat die Verbreitung begünstigt. Bis dato haben sich über 300 Menschen mit dem Virus infiziert".
Mücken vermehren sich bei hohen Temperaturen besonders gut. Das gleiche gilt auch für Viren.
"Es gibt ein Temperatur-Optimum für die Viren", sagt Schmidt-Chanasit. "Über 30 Grad sind für die Erreger super. Da vermehren sie sich in der Mücke wesentlich schneller als bei 18 oder 21 Grad".
Wetterextreme sind ein wichtiger Faktor
Für die Mücken und ihre Viren spielt die schleichende, durchschnittliche Erderwärmung um wenige Grad keine besonders große Rolle. Wichtiger sind hingegen einzelne Wetterereignisse, die quasi den Weg für die Ausbreitung der Stechmücken und ihrer Erreger bereiten. Mit dem Klimawandel kommen solche Wetterextreme häufiger vor.
"Hitzewellen sind ganz klar von Vorteil für das Virus" sagt Schmidt-Chanasit. "In heißen Perioden gibt es mehr Mücken und in jeder Mücke auch mehr Viren-Erreger".
Dabei müsse es nicht einmal viel regnen, damit die Mücken Wasseransammlungen finden, in denen sie ihre Eier ablegen können. Selbst das Kondenswasser mancher Klimaanlagen reicht aus, damit darin tausende von Larven schlüpfen können.
Günstige Bedingungen für die Erreger
Welche Bedeutung außergewöhnliche Wetterlagen für die Ausbreitung eines Virus haben können, zeigt auch der Fall des West-Nil-Virus. 1999 ist es erstmals in New York aufgetreten und hat sich seitdem in großen Teilen der USA verbreitet.
"Man kann mit ziemlich großer Sicherheit sagen, dass das Virus mit einer infizierten Mücke per Flugzeug aus Tel Aviv nach New York gebracht wurde", erinnert sich der Leiter der Infektionsepidemiologie am BNITM Jürgen May.
Eine Abfolge bestimmter Wettersituationen hätte dann die Ausbreitung des Virus begünstigt: "Es gab einen milden Winter. So haben die Überträgermücken bis ins Frühjahr überlebt. Dann gab es einen trockenen und warmen Frühsommer, der für die Mücken auch günstig war. Sie haben Zugvögel gestochen, und die haben das Virus weiterverbreitet. Dann gab es einen feuchten Spätsommer und es entstanden viele neue Brutstätten."
Und war es jetzt "nur" das Wetter oder doch der Klimawandel? "Ob am Ende die Klima-Veränderung eine Rolle gespielt hat, oder ob es zehn oder 50 Jahre früher nicht auch so passiert wäre – das kann natürlich keiner beweisen", konstatiert der Epidemiologe.
Immer mehr Viren in bestehenden Mückenpopulationen
In den USA hat sich das West-Nil-Virus jedenfalls nicht etwa durch eingewanderte Mücken weiterverbreitet. Vielmehr haben Mücken, die in den USA bereits heimisch waren, diese Aufgabe übernommen.
"Sie haben einen günstigen Lebensraum für das Virus dargestellt. Vor allem sind es Mücken, die sowohl Menschen als auch Vögel stechen. Das führt dazu, dass die Vögel die Viren in weit entfernte Gebiete bringen konnten – in relativ kurzer Zeit". Aber nicht alle Mücken können jede Art von Erreger übertragen. Für eine Epidemie müssen Virus und Erreger-Typ zusammen passen.
Malaria wandert in höhere Gebiete
Malaria ist keine Viruserkrankung. Sie wird durch einzellige Parasiten - sogenannte Plasmodien - übertragen. Auch diese vermehren sich besonders stark, wenn es warm ist. Bereits wenige Grad Temperaturunterschied reichen aus, und die infektiösen Stadien der Malariaerreger reifen viel schneller.
"Bei Plasmodium vivax – einer der humanpathogenen Malaria-Plasmodien – dauert es bei 16 Grad etwa 38 Tage, bei 20 Grad etwa 17 Tage und bei 30 Grad nur sieben Tage," sagt der Mediziner May.
Bereits jetzt tritt Malaria in höhergelegenen afrikanischen Großstädten auf, die früher von der Erkrankung verschont geblieben waren. Das ist etwa in der kenianischen Hauptstadt Nairobi der Fall, Addis Abeba in Äthiopien oder auch in Antananarivo auf Madagaskar.
"Das heißt, auch kleine klimatische Veränderungen könnenn, wenn es um die Höhenausbreitung der Malaria-Erreger und der Moskitos geht, eine sehr starke Auswirkung haben", sagt May. Allerdings seien dafür vor allem die Überträgermücken verantwortlich, die jetzt auch in höheren Regionen häufiger auftreten.
Gekommen, um zu bleiben
Zurück im Südwesten Deutschlands kämpft der Heidelberger Parasitologe Norbert Becker weiter mit Nachdruck gegen die Tigermücke. "Wir wollen das Tierchen wieder loswerden", sagt er.
Er engagiert sich in der Kommunalen Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage (KABS) – dabei handelt es sich um einen Zusammenschluss von Städten, Gemeinden und Landkreisen entlang des Oberrheins. Sie gehen schon seit 1976 mit umweltschonenden Bekämpfungsmethoden gegen Mücken vor. Die Tigermücke stellt die KABS vor besondere Herausforderungen.
Am wichtigsten ist es, die Menschen mit Flugblättern darüber zu informieren, dass sie mögliche Brutplätze beseitigen müssen: Regenfässer abdecken, Gießkannen und Pflanzgefässe so hinstellen, dass sich darin kein stehendes Wasser ansammeln kann.
Wo das nicht geht, setzen die Schädlingsbekämpfer den biologischen Wirkstoff des Bacillus thuringiensis israelensis (BTI) ein. Er wird etwa als Tablette in Gully-Öffnungen eingesetzt. Der darin enthaltene Wirkstoff - ein Eiweißkristall - tötet die Mückenlarven ab, aber schadet anderen Insekten nicht.
Guten Erfolg im Kampf gegen die Tigermücke haben Becker und seine Mitstreiter mit dem Einsatz speziell gezüchteter und dann durch Gamma-Strahlung sterilisierter Mückenmännchen. Wenn diese dann Weibchen begatten, kommt dabei kein fruchtbarer Nachwuchs heraus.
Wird es so gelingen, die Tigermücke wieder ganz aus Südwestdeutschland zu vertreiben? Becker ist skeptisch: "Als ich dieses Jahr gesehen habe, wie die Populationen explodiert sind, ist mir die Hoffnung geschwunden. Ich glaube nicht, dass wir sie noch einmal loswerden, aber wir versuchen es zumindest."