Frankreich: Macron verspricht "grundlegende Antworten"
4. Juli 2023Es müsse "grundlegende Antworten" geben, versprach der französische Staatspräsident Emmanuel Macron nach den tagelangen Ausschreitungen im Land. Bei einem Treffen mit fast 250 Bürgermeistern der von den Gewaltausbrüchen besonders betroffenen Städte sagte Macron, es gehe nicht darum, seit Jahrzehnten praktizierte Dinge zu wiederholen, berichtete der Sender BFMTV. Notwendig sei eine "Antwort auf der Höhe dessen, was wir erlebt haben". Die Hintergründe der jüngsten Ereignisse müssten "detailliert analysiert" werden.
Mit Blick auf die zum großen Teil minderjährigen Protestler kündigte Macron schnellere Justizverfahren an. Die Eltern von straffällig gewordenen Jugendlichen sollten einerseits "besser begleitet" werden, andererseits konsequenter sanktioniert werden. Der Höhepunkt der Ausschreitungen sei überschritten, sagte der Präsident, obwohl in den kommenden Tagen und Wochen weiterhin Vorsicht geboten sei. Es gehe um der Erhalt der dauerhaften Ordnung. Das habe höchste Priorität, daran müsse gearbeitet werden.
An dem Treffen im Elysée-Palast nahm auch der Bürgermeister des Pariser Vorortes L'Haÿ-les-Roses, Vincent Jeanbrun, teil, dessen Privathaus Randalierer am Wochenende mit einem Auto gerammt und in Brand gesteckt hatten. Die Frau des Bürgermeisters hatte sich verletzt, als sie mit ihren beiden Kindern vor den Randalierern floh. Die Justiz ermittelt wegen versuchten Mordes.
Wut auf den Staat
Seit dem Tod des 17-jährigen Nahel durch eine Polizeikugel bei einer Verkehrskontrolle am Dienstag vergangener Woche wurde Frankreich landesweit von schweren Krawallen erschüttert. Wiederholt kam es zu Plünderungen, Brandanschlägen und gewaltsamen Konfrontationen zwischen Polizisten und Randalierern. Knapp 3500 Menschen wurden seitdem in Polizeigewahrsam genommen, mehr als 12.000 Fahrzeuge brannten ab. Auf rund 1100 Gebäude wurden Brandanschläge verübt oder sie wurden Opfer von Vandalismus, darunter viele Rathäuser und mehr als 200 Polizeiwachen.
Die Wut, insbesondere vieler junger Menschen aus sozial benachteiligten Vierteln der Städte, richtete sich gegen Symbole der Französischen Republik, daher waren Rathäuser und Polizeiwachen oftmals Ziel ihrer Angriffe. Für den Großraum Paris wurden unterdessen erste Zahlen zum Ausmaß der Schäden bekannt. Laut einer ersten Schätzung der Verkehrsverbände entstanden Schäden von "mindestens 20 Millionen Euro".
In der Nacht zu Dienstag hatte sich die Lage einigermaßen beruhigt. Am Montag hatte es in zahlreichen Städten Solidaritätskundgebungen mit den Bürgermeistern vor den Rathäusern gegeben. In ganz Frankreich sind immer noch Tausende zusätzliche Polizisten in Rufbereitschaft.
Zeitung veröffentlicht Schilderungen zum Tathergang im Fall Nahel
Die Zeitung "Le Parisien" veröffentlichte Schilderungen des Hergangs aus der Sicht eines 14-Jährigen, der nach eigenen Angaben auf der Rückbank saß als der Schuss fiel, und die dessen Vater schriftlich der Zeitung übermittelte. Nahel traf den Jungen demnach zufällig morgens und bot ihm an, ihn mit dem Auto zu einer Schulprüfung zu fahren. Einer ersten Aufforderung der Polizei zum Anhalten habe der 17-Jährige keine Folge geleistet, berichtete der Junge. Als der Verkehr stockte, hätten die Polizisten das Auto eingeholt und ihre Waffen auf Nahel gerichtet. Einer habe dabei gedroht, ihm in den Kopf zu schießen. In Panik sei der Jugendliche möglicherweise mit dem Fuß von der Bremse des Automatik-Wagens gerutscht, so dass dieser sich in Bewegung setzte. Der eine Beamte habe den anderen zum Schießen aufgefordert. "Der ist verrückt, der hat geschossen", habe Nahel noch gesagt, ehe er leblos zusammengesackt und der Wagen in eine Absperrung gefahren sei.
Gegen den Polizeibeamten, der den Schuss auf den Jugendlichen Nahel abgab, wird wegen Totschlagverdachts ermittelt.
qu/kle (dpa, afp, rtr)