Macron schaltet in den Rückwärtsgang
6. Dezember 2018Eigentlich wollte Macron den Klimaschutz vorantreiben. Höhere Energiepreise sollten die Franzosen dazu bringen, sorgsamer mit Strom, Gas, Öl und anderen Energieträgern umzugehen. Stattdessen trieb er damit sein Volk in den vergangenen Wochen massenhaft auf die Straße.
Auch für diesen Samstag haben die "Gelbwesten" zu Protesten in der französischen Hauptstadt aufgerufen - unter anderem vor Macrons Amtssitz, dem Elysée-Palast, und wieder auf dem Boulevard Champs-Elysées. Die Regierung will landesweit mehr als 65.000 Sicherheitskräfte mobilisieren, um Ausschreitungen wie am vergangenen Wochenende zu vermeiden. Notfalls könne auch das Militär eingesetzt werden, heißt es.
Regierungschef Édouard Philippe mahnte die Demonstranten zur Mäßigung. "Die Sicherheit der Franzosen und unserer Institutionen steht auf dem Spiel", sagte er im Parlament. Er rief alle Akteure auf, sich verantwortungsvoll zu verhalten. Präsident Macron ging noch einmal scharf mit den Demonstranten ins Gericht, die sich an Ausschreitungen beteiligt hatten. "Manchen geht es nur noch um ein Ziel: die Republik anzugreifen."
Zustimmung mit Rekordwerten
Trotz der Kritik des Präsidenten ist die Zustimmung zu der Protestbewegung, die sich zunächst in Netzwerken wie Facebook organisiert hatte, weiter sehr hoch. Rund 72 Prozent der Franzosen sympathisieren mit den Anliegen, wie repräsentative Befragungen der Institute Elabe und Ifop-Fiducial bei je gut tausend Bürgern ergaben. 78 Prozent der Franzosen bewerteten die jüngsten Zusagen der Regierung als unzureichend, auch weil die Lebenshaltungskosten immer mehr steigen würden.
Kommende Woche wollen erstmals auch die Bauern auf die Straße gehen, wie die größte Agrargewerkschaft FDSEA ankündigte. Deren Chefin Christiane Lambert sagte, die Bauern fühlten sich gedemütigt. Sie beklagte ein "Bauern-Bashing" durch die Regierung und zu hohe finanzielle Belastungen. Die FDSEA ist ein Dachverband mit mehr als 210.000 Mitgliedern aus allen Agrarbereichen.
Auch die Schüler machen mobil
Für Donnerstag kündigten zudem Schülervertreter eine landesweite "General-Mobilmachung" gegen die Reform von Abitur und Hochschulzugang an. Die Schüler fürchten härtere Auswahlkriterien beim Hochschulzugang und Kürzungen beim Lehrpersonal. Seit einigen Tagen werden nach Angaben des Bildungsministeriums rund 200 Schulen im Land bestreikt. Dabei werden wie bei den "Gelbwesten" immer wieder Rufe nach einem Rücktritt Macrons laut.
Die konservative Oppositionspartei Die Republikaner forderte, den Ausnahmezustand auszurufen, um Ausgangssperren zu ermöglichen und einen neuen "Schwarzen Samstag" zu verhindern. Die Proteste der "Gelbwesten" - benannt nach den Warnwesten im Auto - halten seit fast drei Wochen an. Sie richten sich gegen hohe Steuern und Lebenshaltungskosten sowie die aus Sicht der Demonstranten zu niedrigen Renten und Löhne.
Die jetzt von Präsident Emmanuel Macron zugesagte Aussetzung der Ökosteuer für Benzin und Diesel gilt zunächst für das gesamte Jahr 2019 wie Umweltminister François de Rugy bestätigte. Ursprünglich sollten die Steuern beim Sprit zum Jahreswechsel steigen.
haz/rb (afp, dpa)