Macris Tango auf der Titanic
23. November 2015Wer hat Angst vor Mauricio Macri? Argentiniens neuer Präsident ist einer der reichsten Männer des Landes, er gilt als wirtschaftsfreundlich, konservativ und marktliberal. Die Mehrheit der Argentinier hat den Unternehmer am 22. November im zweiten Wahlgang gewählt - obwohl viele der freien Marktwirtschaft misstrauen.
Wachstum und Entwicklung hat sich der 56-jährige Bauunternehmer auf die Fahnen geschrieben. Aus dem Umfeld des neuen Staatspräsidenten heißt es, er werde keine 180-Grad-Wende einleiten, sondern alle Reformen in Abstimmung mit den Gewerkschaften vornehmen und einen gewissen Protektionismus erhalten.
"Wir haben aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt", beteuert Rogelio Frigerio gegenüber der Tageszeitung "El País". Der Chef der Bank der Stadt Buenos Aires diente in den 90er Jahren kurz vor der Staatspleite von 2001 als stellvertretender Wirtschaftsminister. "Der Markt verlangt keinen Blutzoll. Argentinien kann Kredite aufnehmen, auch ohne Tote in den Straßen", stellt Frigerio klar.
Von Krise zu Krise
Die drastischen Worte des Bankiers verdeutlichen das nationale Trauma Argentiniens: 2001 musste das Land seine Zahlungsunfähigkeit verkünden. Der damalige Wirtschaftsminister Domingo Cavallo musste eingestehen, dass die von ihm umgesetzten neoliberalen Reformen und die Anbindung der argentinischen Währung Peso an den US-Dollar gescheitert waren.
Nach 13 Jahren peronistischer Herrschaft unter Ex-Präsident Néstor Kirchner und seiner Frau Cristina Kirchner setzt Argentinien mit der Wahl von Mauricio Macri zu einer politischen und wirtschaftlichen Kehrtwende an. Dass der neu gewählte Präsident angesichts der aktuellen Wirtschaftskrise Sozialprogramme und Subventionen kürzen muss - darin sind sich alle Experten einig.
Macri bemüht sich bisher, die Angst vor sozialen Kürzungen zu zerstreuen. Er spricht von neuen Investitionen, von einem effizienteren Einsatz der Sozialausgaben, von fragwürdigen Energiesubventionen, die auch reiche Bevölkerungsschichten begünstigen, von Korruption und einem aufgeblähten Beamtenapparat.
Schöne Hauptstadt, arme Hauptstadt
Macri muss es wissen. Schließlich hat er in seinen acht Jahren als Bürgermeister von Argentiniens Hauptstadt Buenos Aires (2007 bis 2015) reichlich politische Erfahrungen gesammelt. Schwerpunkte seiner Administration waren die Renovierung baufälliger Schulgebäude, Investitionen im Bereich Gesundheitsversorgung, Sanierung öffentlicher Plätze und die Schaffung einer städtischen Polizeieinheit.
"Die größte Kritik seiner Amtszeit besteht in der exzessiven öffentlichen Verschuldung", schreibt die argentinische Zeitung "Pagina 12". Der Fernsehsender Telesur drückt es drastischer aus: "Macris Administration zeichnet sich durch ineffiziente Bauvorhaben, mangelnde Wohnungsbaupolitik und eine exorbitante Verschuldung aus."
Landesweit bekannt wurde Macri in Argentinien bereits in den 90er Jahren. Als Sohn des italienisch-argentinischen Industriemagnaten Franco Macri bekleidete er in der Holding "Grupo Macri" seines Vaters verschiedene Führungspositionen. Das Konglomerat, zu dem Firmen in den Bereichen Baugewerbe, Immobilien, Abfallwirtschaft und Transport gehören, lebt unter anderem von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen.
Vertrauensvorschuss vom Volk
1995 wurde Macri zum Präsidenten des berühmten argentinischen Sportvereins Atlético Boca Juniors gewählt. Das Amt, das er bis 2007 ausübte, machte ihn zu einer Art heimlichen Volkshelden. Nach einem kurzen Intermezzo als Abgeordneter im argentinischen Parlament legte er als Gründer der konservativen Allianz PRO (Propuesta Republicana) eine steile politische Karriere hin.
"Ich bin Mauricio Macri, ich verpflichte mich, Deine Probleme zu lösen, ohne Dir etwas etwas von deinem Besitz wegzunehmen", lautete die zentrale Botschaft seiner Wahlkampfkampagne. 51 Prozent der argentinischen Wähler haben dem ehemaligen Sportmanager und Bürgermeister den gewünschten Vertrauensvorschuss gewährt.