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Machtwechsel in Nordrhein-Westfalen

14. Juli 2010

Hannelore Kraft ist im zweiten Wahlgang zur Ministerpräsidentin des bevölkerungsreichsten Bundeslandes gewählt worden - obwohl SPD und Grüne keine Mehrheit im Landtag haben.

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Hannelore Kraft (Foto: AP)
Die "Neue": KraftBild: AP

Die SPD-Spitzenkandidatin Hannelore Kraft ist am Mittwoch (14.07.2010) im Landtag in Düsseldorf zur ersten Ministerpräsidentin in Nordrhein-Westfalen gewählt worden. Kraft erhielt auch im zweiten Wahlgang 90 von 181 Stimmen und wird damit neue Regierungschefin. Im ersten Wahlgang war noch die absolute Mehrheit nötig, im zweiten reichte die einfache. SPD und Grüne lösen mit einer Minderheitsregierung die schwarz-gelbe Koalition unter dem amtierenden Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers ab.

Mit der Empfehlung an ihre elf Abgeordneten, sich bei der Wahl Krafts zu enthalten, folgt die Linksfraktion dem Votum eines Landesparteitags vom vergangenen Wochenende. Trotz des gescheiterten Sondierungsgesprächs mit SPD und Grünen will die Partei die Ablösung der schwarz-gelben Koalition von CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers nicht blockieren.

Am Montag hatten SPD und Grüne ihren Koalitionsvertrag unterzeichnet. Ihr rot-grünes Kabinett will die designierte Regierungschefin Kraft erst am Donnerstag vorstellen. In der Minderheitsregierung soll die SPD sieben Ministerien übernehmen, darunter das Finanz-, Wirtschafts-, Justiz- und Innenministerium. Die Grünen erhalten drei Ressorts: Bildung, Umwelt und Gesundheit. Die bisherige Grünen-Fraktionsvorsitzende Sylvia Löhrmann soll Vize-Ministerpräsidentin und Schulministerin werden.

Jürgen Rüttgers (Foto: AP)
Muss seinen Posten als Regierungschef räumen: RüttgersBild: AP

CDU attackiert SPD

Der scheidende NRW-Regierungschef Rüttgers sprach von einer rot-grünen "Regierung gegen die Mehrheit und ohne gesunden Menschenverstand". Der neue CDU-Landtagsfraktionschef Karl-Josef Laumann befürchtet "die linkeste Landesregierung, die das Land jemals hatte". Bundeskanzlerin Angela Merkel warf der SPD sogar Wählertäuschung vor. Der in Düsseldorf erscheinenden Zeitung "Rheinische Post" sagte die Kanzlerin und CDU-Bundesvorsitzende, Hannelore Kraft habe "im Wahlkampf immer wieder betont, dass ein Land wie Nordrhein-Westfalen eine stabile Regierung braucht. Jetzt will sie ihre Arbeit mit einem massiven Wortbruch beginnen. Einer solchen Regierung kann man nicht trauen", betonte Merkel.

Ungeachtet aller Vorwürfe erhofft sich SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles durch die Wahl von Hannelore Kraft zur NRW-Ministerpräsidentin Rückenwind für die Sozialdemokraten. "Ich bin sicher, dass Hannelore Kraft gewählt wird und dies dann das Selbstbewusstsein der SPD auch im Bund stärkt", sagte Nahles. Zudem könne eine Minderheitsregierung die politische Kultur beleben. "Der Charme einer Minderheitsregierung ist, dass die Regierung überzeugen und Argumente liefern muss, um die Parteien im Landtag für bestimmte Gesetze zu gewinnen. Es wird nicht nach Block abgestimmt, sondern nach Überzeugung. Das kann zu einer interessanten Belebung des Parlamentarismus führen", meinte die SPD-Generalsekretärin.

"Historischer" Wechsel

Sylvia Löhrmann und Hannelore Kraft (Foto: dpa)
Koalitionspartner(innen): Kraft mit der Grünen-Spitzenfrau Sylvia Löhrmann (l.)Bild: picture alliance / dpa

Übrigens: Hannelore Kraft ist die erste Frau in Deutschland überhaupt, die es geschafft hat, als Spitzenkandidatin ihrer Partei einen amtierenden Ministerpräsidenten durch eine Landtagswahl aus dem Amt zu drängen.

Zwar setzten sich auch die SPD-Frau Heide Simonis in Schleswig-Holstein - sie regierte von 1993 bis 2005 - und die CDU-Politikerin Christine Lieberknecht in Thüringen an die Spitze einer Landesregierung. Simonis kam jedoch durch den Rücktritt ihres Vorgängers und Parteikollegen Björn Engholm während der laufenden Legislaturperiode an die Macht. Lieberknecht sprang in die Bresche, als CDU-Spitzenkandidat Dieter Althaus nach dem Verlust der absoluten Mehrheit bei der Landtagswahl im August vergangenen Jahres seinen Hut nahm.

Autor: Christian Walz (dpa, rtr, rp)
Redaktion: Thomas Grimmer