Fotoprojekt in Afrika
28. Januar 2013Marie Köhler schwärmt, wenn sie von Burkina Faso erzählt. Im Oktober war sie im Operndorf, um ihr Fotoprojekt vorzubereiten. Sie ist die erste westliche Künstlerin, die dort arbeiten darf. "Es war alles unglaublich grün, es war wirklich paradiesisch. Trotz der Hitze ist alles so gebaut, dass es immer Schattenplätze gibt", erzählt sie. Mit 150 Kameras im Gepäck reist die 31-jährige Hernerin jetzt wieder nach Afrika. Mit den Kindern, die im Operndorf seit gut einem Jahr zur Schule gehen, will sie einen Fotoworkshop machen. Die rötlich-orangen Lehmhäuser liegen in einer hügeligen Landschaft 20 Kilometer von der burkinabesischen Landeshauptstadt Ouagadougou entfernt. Sie sind ab jetzt wieder für vier Monate ihr Zuhause.
Das Operndorf, ein Traum von Christoph Schlingensief
Der bekannte Theatermann, Filmemacher und Regisseur Christoph Schlingensief hatte die Idee, in Burkina Faso ein Operndorf zu errichten, in dem durch nachhaltige Bewirtschaftung bessere Produktions- und Lebensbedingungen entstehen sollten. Bessere Lebensbedingungen schaffen: Dazu gehört auch, in einem der ärmsten Länder Ausbildung, Austausch und Kulturproduktionen zu ermöglichen. Die Grundsteinlegung seines Operndorfes im April 2010, wenige Monate vor seinem Tod, konnte Schlingensief noch miterleben. Mittlerweile gibt es neben dem Schulgebäude auch Wohnhäuser für Lehrer, Künstler und Besucher. Eine Krankenstation soll im Februar eröffnet werden.
Die Idee zu ihrem Fotoprojekt hatte Marie Köhler schon vor zehn Jahren. Da sah die junge Frau einen Dokumentarfilm über eine Fotografin im indischen Kalkutta. "Sie hat ein Fotoprojekt mit Straßenkindern gemacht. Von den Fotos war ich total fasziniert und habe dann vielleicht etwas naiv gesagt: Das mach' ich auch mal." Damals fing Marie Köhler an, Kameras zu sammeln.
Master mit 150 Kindern
Als sie dann für ihren Masterabschluss Fotografie im Fachbereich Design der Fachhochschule Dortmund auch noch ein Stipendium der Studienstiftung des deutschen Volkes bekam, war klar: Daraus kann etwas Größeres werden. So einfach war es aber nicht, aus der Projektidee eine Masterarbeit zu machen, denn die Themen, die man für eine Abschlussarbeit bearbeitet, müssen prüfbar sein. Im theoretischen Teil will sich Marie Köhler mit Joseph Beuys, Christoph Schlingensief und der sozialen Kunst befassen. Fotografisch wird sie ihre Arbeit im Operndorf mit einem Katalog dokumentieren. Ihr Professor an der Fachhochschule Dortmund unterstützt sie dabei.
"Mach dir ein Bild" hat Marie Köhler ihr Fotoprojekt mit den Kindern im Operndorf genannt. Damit ist sie ganz nah bei Christoph Schlingensief. In ihrem Projektentwurf zitiert sie den bekannten Regisseur: "95 Prozent aller Afrika-Bilder seit meiner Kindheit sind von Weißnasen gemacht worden, alle Zeitungskommentare von weißen Leuten, fast nichts von Schwarzen. Aber es ist nicht das wirkliche Afrika." Aus diesem Grund beschloss Christoph Schlingensief seinerzeit: "Wir hören jetzt mal auf mit Förderung, von der wir uns was versprechen. Wir schicken das Geld da runter und sagen: Macht damit, was ihr wollt. Produziert eure eigenen Bilder!"
“Mach dir ein Bild“
Marie Köhler kennt diese typisch westlichen Bilder von Afrika. Es sind einerseits die von Krieg, Tod und Armut, Bilder von Kindern mit Wasserbauch und andererseits Safaribilder mit Elefanten am Wasserloch. Dazwischen gibt es kaum etwas. Genau das möchte die 31-jährige Fotografin ändern. Im Oktober hat sie mit Lehrern aus dem Operndorf abgesprochen, wie der Workshop in den Unterricht eingebaut werden kann. Das Ganze ist ein Kooperationsprojekt. Anders hätte sie auch gar nicht die Genehmigung bekommen, dort zu arbeiten. Darauf achtet Aino Laberenz. Die Witwe von Christoph Schlingensief führt das Operndorf-Projekt weiter und bekommt viele Anfragen von Künstlern, die dort arbeiten wollen.
Mit Marie Köhler startet sie jetzt den ersten Versuch, eine westliche Künstlerin im Operndorf mitarbeiten zu lassen. "Ihre Idee kommt der Idee des Operndorfes sehr nah, dass man nicht als Weißer kommt und mit seinem Kulturverständnis den Menschen dort erzählt, wie es richtig geht", sagt sie. Aino Laberenz hat auch überzeugt, dass Marie Köhler sich auf den Ort und die Menschen einlassen will und mithilfe von Fotografie beobachten möchte, was dort stattfindet.
Nicht nur die Fotoapparate hat Marie Köhler im Gepäck, sondern auch Filme und Batterien, denn die sind in Burkina Faso wesentlich teurer. Bei der Entwicklung von Filmen gibt es vor Ort zum Glück keine Probleme, das hat sie bereits bei ihrem ersten Besuch im Oktober festgestellt. Dennoch bleiben für die Studentin ein paar große Fragezeichen: "Ich mache gerade ein Projekt, bei dem überhaupt nicht klar ist, was am Ende auf dem Tisch liegt." Was die Kinder fotografieren werden und wie dann ihre Dokumentation aussehen wird, weiß Marie Köhler noch nicht. "Ich bin selbst gespannt, was am Ende dabei heraus kommt." Was immer auch auf den Bildern zu sehen sein wird, das Ganze soll hinterher auf jeden Fall in Ausstellungen in Deutschland gezeigt werden.