Maas peilt Vermittlerrolle in Nahost an
11. Juni 2020Nach seinem Besuch in Israel ist der deutsche Außenminister Heiko Maas nach Jordanien weitergereist, wo er in Amman mit seinem Kollegen Aiman Safadi sprach. Dabei kündigte er an, dass die Bundesregierung Jordanien im Kampf gegen die Corona-Pandemie mit 23.000 Test-Kits und 32 neuen Testgeräten unterstützen werde. Per Videokonferenz sprachen die beiden Minister zudem mit dem palästinensischen Ministerpräsidenten Mohammed Schtaje.
Der deutsche Außenminister zeigte sich anschließend bereit, während der EU-Ratspräsidentschaft eine stärkere Rolle bei der Suche nach einer Lösung des Dauerkonflikts im Nahen Osten zu übernehmen. "Wir werden ganz sicher eine Vermittlerrolle spielen, aber vor allen Dingen erst einmal innerhalb der Europäischen Union und innerhalb des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen", sagte Maas. Ihm schwebe in diesen Gremien die Rolle eines "ehrlichen Maklers" vor. Er könne sich aber auch vorstellen, hilfreich zu sein, wenn es darum gehe, Israel und die Palästinenser wieder an einen Tisch zu bringen.
Schtaje zeigte sich unzufrieden, dass Maas diesmal anders als sonst üblich nicht in die Palästinensischen Gebiete einreiste. Begründet wurde dieser Schritt mit der Corona-Pandemie. "Das ist kein gutes Zeichen", sagte der Ministerpräsident. Israel sollte Maas "nicht seine politische Agenda diktieren."
Bitte um "konkrete Vorschläge"
Maas appellierte nach eigenen Angaben zudem an die palästinensische Führung, "konkrete Vorschläge" als Grundlage für mögliche Gespräche mit Israel vorzulegen. "Wir haben den Plan der Vereinigten Staaten auf dem Tisch liegen. Ich halte es für sinnvoll, dass auch von palästinensischer Seite konkrete Vorschläge gemacht werden, wie es weitergehen kann, um diesen Dialog beginnen zu können."
Die Palästinenserführung hatte allerdings erst am Dienstag einen viereinhalb Seiten umfassenden Gegenvorschlag zum US-Nahostplan vorgelegt. Darin wird die Gründung eines "souveränen, unabhängigen, entmilitarisierten Palästinenserstaates" vorgeschlagen. Auch dem US-Plan zufolge sollen die Palästinenser zwar die Möglichkeit erhalten, einen eigenen Staat zu bekommen - allerdings ohne das strategisch und wirtschaftlich wichtige Jordantal im Westjordanland und ohne Ost-Jerusalem als Hauptstadt.
Freundschaftliche Kritik statt Drohungen
In Jerusalem hatte der Bundesaußenminister kurz zuvor die geplante Annexion palästinensischer Gebiete als Rechtsbruch kritisiert, aber auf eine Drohung mit Konsequenzen verzichtet. Der SPD-Politiker warb für eine Wiederaufnahme der vor sechs Jahren abgebrochenen direkten Gespräche zwischen Israel und den Palästinensern. Die neue israelische Regierung, die erst vor drei Wochen vereidigt wurde, will auf Grundlage des Nahost-Plans von US-Präsident Donald Trump bis zu 30 Prozent des besetzten palästinensischen Westjordanlands annektieren. Die ersten Schritte könnten am 1. Juli eingeleitet werden.
Die Annexionspläne sind international hoch umstritten. In der EU wird darüber diskutiert, ob auf eine Annexion mit Sanktionen reagiert werden soll. Maas sagte dazu: "Ich halte überhaupt nichts davon, in Zeiten, in denen Entscheidungen überhaupt noch nicht getroffen sind, mit Drohungen Politik zu machen."
Kritik an geplanten Annektionen
In seinem Gespräch mit dem israelischen Außenminister Gabi Aschkenasi habe er die "ehrlichen und ernsthaften Sorgen" Deutschlands dargelegt. Er fügte hinzu: "Gemeinsam mit der Europäischen Union sind wir der Ansicht, dass eine Annexion nicht mit internationalem Recht vereinbar wäre." Deutschland werde sich weiter für Verhandlungen mit dem Ziel einer einvernehmlichen Zwei-Staaten-Lösung einsetzen.
Maas und Aschkenasi unterzeichneten auch eine Vereinbarung zur weiteren deutschen Förderung der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem. Die Bundesregierung will die Arbeit der Gedenkstätte demnach bis 2031 weiterhin mit jährlich einer Million Euro unterstützen. Für den "Shoa Heritage Campus" stellt Deutschland drei Millionen Euro bereit.
Treffen mit Netanjahu
Maas traf in Jerusalem und Tel Aviv auch Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Verteidigungsminister Benny Gantz. Netanjahu erläuterte Maas den Trump-Plan und sagte anschließend, zu den "grundlegenden Interessen" Israels zähle die Notwendigkeit einer "vollen Sicherheitskontrolle westlich des Jordans", also auch in den palästinensischen Gebieten. Man werde keine israelischen Siedlungen räumen.
Israel hat während des Sechstagekrieges 1967 unter anderem das Westjordanland und Ost-Jerusalem erobert und treibt dort seitdem Siedlungsprojekte voran. Die Palästinenser fordern die Gebiete für einen eigenen Staat - mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt. Israel sieht in seiner Siedlungspolitik anders als die EU keinen Rechtsbruch.
Die neue israelische Regierung war am 17. Mai nach einer beispiellosen politischen Hängepartie mit drei Wahlen innerhalb eines Jahres vereidigt worden. Maas ist der erste hochrangige Regierungsvertreter aus dem Ausland, der die neue Regierung besucht.
kle/cw (dpa, afp)