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Kleine Schritte nach vorne im Dialog mit China

Amrita Cheema31. Mai 2016

Blogger, Aktivisten und Dissidenten sind in China unter Druck. Wie geht Berlin damit um? Justizminister Heiko Maas im DW-Interview - zwei Wochen vor den Deutsch-Chinesischen Regierungskonsultationen.

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Heiko Maas SPD
Bild: picture-alliance/dpa/J.Carstensen

Kleine Schritte nach vorne im Dialog mit China

DW: Wird das Thema Meinungsfreiheit tatsächlich eine Rolle spielen bei den Deutsch-Chinesischen Regierungskonsultationen?

Heiko Maas: Das spielt immer eine Rolle, wenn wir mit der chinesischen Regierung reden. Natürlich hat Deutschland auch wirtschaftliche Interessen in China. Aber wir haben auch originäre Interessen, die die Unabhängigkeit des Rechtsstaates und die Wahrung der Menschenrechte betreffen und deshalb ist es wichtig, dass wir mit den Chinesen im Dialog sind. Denn nur dann können wir auch die Dinge ansprechen, die uns wichtig sind. Dass es für Künstlerinnen und Künstler mehr künstlerische Freiheiten geben muss, dass insbesondere Menschenrechtsanwälte ihrem Beruf dort nachgehen können, ohne Repressalien zu befürchten. Das ist leider nicht so, aber wir nutzen jedes Gespräch mit der chinesischen Führung, um darauf hinzuweisen und um ganz klar zu machen, dass der Rechtsstaat, so wie wir ihn kennen, auch die Voraussetzung dafür ist, dass die Rechtssicherheit von Unternehmen, die in China tätig sind, gewährleistet ist. Aber das Thema Menschenrechte und individuelle Freiheit ist immer ein eigener Anspruch bei allen Gesprächen, die wir mit China führen.

Wie sehen Sie das neue chinesische Gesetz, das im April verabschiedet wurde, und die Aktivitäten von Nichtregierungsorganisationen einschränkt? Es betrifft auch deutsche NGOs, die in China aktiv sind. Sie haben das Gesetz kritisiert, als es im vergangenen Jahr diskutiert wurde. Jetzt wurde es verabschiedet - welche Konsequenzen wird das haben?

Das ist ein Thema, dass es bedauerlicherweise nicht nur in China gibt, sondern auch in anderen Staaten, in Russland, auch in Israel gibt es NGO-Gesetze, die als Transparenzgesetze bezeichnet werden. Sie haben aber nichts anderes zum Inhalt, als natürlich zu sehen, wer hinter den NGOs steht, welche Interessen verfolgt werden, um damit auch gegebenenfalls Druck ausüben zu können. Das haben wir bisher immer kritisiert, das wird auch ein Thema werden bei den Konsultationen, die jetzt anstehen. Aber es ist so wie bei vielen anderen Themen auch: Wir werden am Schluss die chinesische Regierung nicht in allen Punkten davon abbringen können, Dinge zu tun, die nach unserem Rechtsstaatverständnis nicht in Ordnung sind, aber das heißt nicht, dass das Thema von uns zu den Akten gelegt wird. Nein, auch dieses Thema ist, genau wie bei anderen Staaten, ein Thema, bei dem die deutsche Bundesregierung nicht nur in der Vergangenheit, sondern auch gegenwärtig darauf hinweisen wird, dass wir wollen, dass unabhängige Organisationen - im Übrigen auch deutsche Stiftungen, die in China tätig sind - ihrer Arbeit ohne Behinderung nachgehen können.

Deutschland Berlin Heiko Maas und Peter Limbourg
Justizminister Heiko Maas (l.) und DW-Intendant Peter LimbourgBild: DW

China ist sehr empfindlich, wenn es um Kritik geht. Und Deutschland hat wirtschaftliche Interessen und Handelsbeziehungen zu China. Inwiefern kann Bundeskanzlerin Angela Merkel beim Thema Menschenrechte auf die chinesische Regierung Druck ausüben?

Ich glaube, dass Deutschland für China auch wichtig ist und von besonderem Interesse. Die Kanzlerin hat das bei vielen Besuchen deutlich gemacht, dass wir nicht eben nur aus wirtschaftlichen Gründen kommen, sondern dass die Menschenrechte, der Rechtsstaat, die Justiz für uns wichtige Themen sind. Die deutsche Bundesregierung führt darüber hinaus schon seit mehr als zehn Jahren einen Rechtsstaatsdialog mit der chinesischen Regierung. Einmal im Jahr treffen wir uns für etwa eine Woche, abwechselnd in Peking oder in Deutschland. Dieses Jahr werden wir wieder in Deutschland sein und die Themen sind keine unkritischen für China. Im letzten Jahr haben wir über häusliche Gewalt, insbesondere gegen Frauen, gesprochen. Das Ergebnis war ein Gesetz, dass in China auf den Weg gebracht worden ist. Dieses Jahr reden wir über Verbraucherrechte im digitalen Zeitalter. Auch das Thema Freiheit im Netz ist ja eines, das in China nicht ganz unproblematisch ist. Und insofern glauben wir, dass wir mit kleinen Schritten, auch wenn es um Verbraucherinnen und Verbraucher geht, wenn es um Menschen geht, wenn es um Rechte von Bürgerinnen und Bürger geht, Stück für Stück weiterarbeiten müssen. Wir bleiben mit der chinesischen Regierung im Dialog und unternehmen kleine Schritte nach vorne. Es ist für uns keine Alternative, Gespräche abzubrechen, weil die Situation bei den Menschenrechten oder auch in der Justiz nicht so ist, wie wir das aus unserem Rechtsstaat kennen. Wir glauben nicht, dass damit irgendeinem geholfen ist. Wir nutzen solche Termine auch, um uns mit Aktivisten, mit Menschenrechtsanwälten zu treffen, um über ihre Situation zu reden. Und auch deutlich zu machen, dass die deutsche Bundesregierung die Situation im Auge hat.

Im vergangenen Jahr waren Sie in China bei Gesprächen über Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit, doch kurz danach wurden 200 Anwälte in China verhaftet, von denen einige immer noch im Gefängnis sind. Haben Sie nicht den Eindruck, dass die chinesische Regierung Ihnen höflich zuhört, wenn Sie dort sind, und dann tut, was sie will, sobald Sie wieder abgereist sind?

Ja, manchmal kann man diesen Eindruck haben. Vor allen Dingen im letzten Jahr war es tatsächlich so: Kaum hatten wir das Land verlassen, wo wir auch über die Rechte von Anwälten gesprochen haben, sind eine Vielzahl von Anwälten verhaftet worden. Viele sind mittlerweile wieder frei, aber noch lange nicht alle. Die Ausübung ihrer Berufe ist nicht frei von Repressionen. Deshalb haben wir bei den Regierungskonsultationen, die jetzt anstehen, auf die Tagesordnung gesetzt, dass deutsche und chinesische Anwälte stärker miteinander in Verbindung treten können. Der deutsche Anwaltsverein und die Bundesrechtsanwaltskammer haben Projekte aufgelegt, wie man mit den chinesischen Amtskollegen unmittelbar nicht nur ins Gespräch kommt, sondern Projekte verabredet. Wir haben schon ein Projekt zur Ausbildung der Richter. Wir wollen auch bei Anwälten nicht nur die Anwaltsausbildung, sondern einen Austausch für inhaltliche Fragen organisieren, das heißt, wir müssen Schranken abbauen und den Anwälten, die in China tätig sind, auch ermöglichen, mit den Deutschen ins Gespräch zu kommen, auch mit den Anwaltsorganisationen, um deren Rolle in China zu stärken. Und das ist ein Projekt, dass wir uns jetzt vorgenommen haben, auch in der Konsequenz dessen, was im letzten Jahr geschehen ist.

Mehrere chinesische Dissidenten haben für internationale Schlagzeilen gesorgt, wie Ai Weiwei, der jetzt in Deutschland lebt. Werden Sie bei den Deutsch-Chinesischen Regierungskonsultationen auch das Schicksal der Journalistin Gao Yu, die unter Hausarrest ist, ansprechen? Sie arbeitete auch für die DW - und ist Berichten zufolge schwer krank.

Wir haben schon im letzten Jahr mit der chinesischen Regierung über dieses Thema gesprochen. Das wird auch ein Thema sein, das uns weiter beschäftigen wird. Das macht im Übrigen auch das Auswärtige Amt, Frank-Walter Steinmeier ist mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dort sehr präsent. Es ist ja auch einiges erreicht worden, aber mit Sicherheit nicht das, was wir uns wünschen würden. Deshalb werden diese Themen alle auf der Tagesordnung bleiben. Wir haben uns in der Vergangenheit, auch immer anlässlich solcher Besuche, etwa wie beim letzten Rechtsstaatsdialog, mit Menschenrechtsanwälten in der deutschen Botschaft in Peking getroffen. Das ist für die nicht immer so einfach und ich hatte damals die Kollegen aus China auch gefragt: "Ist das eigentlich gut für euch, wenn wir uns mit euch treffen - oder führt das zu weiteren Repressalien?" Und es ist gesagt worden: "Nein! Es ist gut, dass wir uns treffen. Reden Sie darüber, stellen Sie Fotos per Internet bei Twitter ein, dass wir da gewesen sind, denn das hilft uns, denn das macht deutlich, dass die deutsche Bundesregierung das Schicksal dieser Anwälte mit im Auge hat und das stärkt ihre Position eher, als dass es sie schwächt." Und deshalb werden wir das fortsetzen und immer wieder bei allen Besuchen und Terminen genauso handhaben.