Maas droht Belarus mit schärferen Sanktionen
5. September 2020Bundesaußenminister Heiko Maas hat dem Präsidenten von Belarus, Alexander Lukaschenko, mit schärferen Strafmaßnahmen gedroht. "Wir erkennen als Europäische Union die Wahl nicht an und haben Sanktionen beschlossen. Diese setzen wir jetzt um", sagte Maas der Zeitung "Bild am Sonntag". "Wenn Lukaschenko nicht reagiert, wird es weitere Sanktionen geben."
In dem Interview stellte der deutsche Chefdiplomat klar, was er von der Führung in Minsk erwartet. "Ich fordere von Lukaschenko, dass er mit der Opposition verhandelt, dass die Wahl wiederholt wird, dass Lukaschenko sofort damit aufhört, friedliche Demonstranten einzusperren und zu misshandeln, dass er die Menschenrechte und die Pressefreiheit achtet."
Auch an diesem Samstag setzten Gegner des belarussischen Staatschefs ihre Proteste fort. Tausende Frauen zogen durch Minsk und schwenkten weiß-rot-weiße Fahnen. Die weiß-rot-weiße Flagge war 1995 ersetzt worden; das aktuelle Design ähnelt der Flagge Weißrusslands zu jener Zeit, als es noch Teil der Sowjetunion war. Viele Demonstrantinnen trugen Blumen bei sich. Studenten hatten sich zu einer "Solidaritätsaktion" zusammengeschlossen und zogen ebenfalls durch die Hauptstadt. Es gab mehrere Festnahmen.
"Spontane, friedliche Aktionen"
Bereits am Freitag hatten Sicherheitskräfte nach offiziellen Angaben mehr als 40 Protestierende in Gewahrsam genommen. Die Menschenrechtsorganisation WESNA teilte mit, die festgesetzten Personen hätten sich an spontanen und friedlichen Aktionen beteiligt. Für diesen Sonntag sind neue, nicht genehmigte Großkundgebungen unter dem Motto "Marsch der Einheit" geplant.
Auslöser der Massenproteste war die Präsidentenwahl im August, bei der sich Lukaschenko mit dem offiziellen Ergebnis von 80 Prozent der Stimmen für eine sechste Amtszeit bestätigen ließ. Viele Menschen im Land betrachten - wie die EU und die USA - die Wahl als gefälscht und sehen Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja als legitime Siegerin an.
"UN müssen Gewalt verurteilen"
Aus dem Exil in Litauen rief Tichanowskaja die Vereinten Nationen auf, internationale Beobachter in ihr Heimatland zu schicken. Bei einer informellen Konferenz des UN-Sicherheitsrats war sie aus Vilnius zugeschaltet. Zudem verlangte Tichanowskaja eine Sondersitzung der UNMenschenrechtskommission. Die Vereinten Nationen müssten die Gewalt der Sicherheitsbehörden gegen Demonstranten verurteilen, sagte sie.
Es war das erste Mal, dass die Oppositionsführerin die internationale Gemeinschaft aufrief, sich in den Konflikt einzuschalten. "Wir, das belarussische Volk, brauchen die Hilfe der UN, um die offenkundigen Menschenrechtsverletzungen und die zynische Missachtung der Menschenwürde zu beenden", erklärte sie.
Weitere Lukaschenko-Gegnerin ausgereist
Unterdessen wurde bekannt, dass eine weitere prominente Oppositionelle aus Belarus ausgereist ist. Olga Kowalkowa befinde sich derzeit in Polen, bestätigte ein Sprecher des Koordinierungsrates der Demokratiebewegung. sagte Kowalkowa dem Internetportal tut.by zufolge, sie sei von den Behörden in Belarus zur Ausreise gedrängt worden. Sie habe dies nicht beabsichtigt und wolle auch bald wieder nach Minsk zurückkehren. Die 36-Jährige sei in der Nacht zum Samstag einfach zur polnischen Grenze gebracht worden, ohne vorher darüber informiert worden zu sein. Von dort aus fuhr sie dann nach Warschau.
Kowalkowa ist auch im Präsidium des Koordinierungsrates, der einen friedlichen Machtwechsel in dem osteuropäischen Land erreichen will. Sie ist eine Vertraute Tichanowskajas. Im August wurde sie festgenommen und saß mehrere Tage in Haft. Erst am Donnerstag hatten die Behörden die 36-Jährige freigelassen. Die Generalstaatsanwaltschaft in Minsk ermittelt strafrechtlich gegen den Koordinierungsrat wegen "Bedrohung der nationalen Sicherheit". Kowalkowas Kollegin Lilija Wlassowa wird weiterhin festgehalten.
jj/kle (dpa, afp, rtr)