Eine gespenstische Partie
11. März 2020Ein paar hundert Fans von Borussia Mönchengladbach hatten sich hinter der Nordkurve des Borussia Parks versammelt. Dort machten sie Lärm, versuchten ihr Team zu unterstützen. Zuvor hatten sie die Mannschaft bereits auf dem Weg zum Stadion angefeuert, vereinzelt Bengalos gezündet und eine Atmosphäre geschaffen, die der Bedeutung des rheinischen Derbys für die Anhänger Nachdruck verschaffen sollte. An den Stadiontoren war allerdings Schluss: Kein Einlass.
Vielleicht hatte doch noch der ein oder andere gehofft, dass sich vielleicht ein (Stadion-) Türchen öffnet und der Weg auf die Tribüne doch noch auf Umwegen möglich ist. Aber die sich andeutende Corona-Pandemie in Deutschland soll unbedingt vereitelt werden - und deshalb konnte es keine Ausnahmen oder gar Nachsicht geben.
Geschichtsträchtige Premiere
Das Derby zwischen den Gladbachern und dem 1. FC Köln, eine Nachhol-Begegnung des 21. Spieltags, als das Spiel wegen eines Sturms abgesagt werden musste, hat an diesem Mittwochabend Geschichte geschrieben. Es war die erste Partie in der Bundesliga vor leeren Rängen. Und das im 58. Jahr des Bestehens der deutschen Eliteklasse. Eine Premiere, auf die beide Klubs und vor allem Fans wohl gerne verzichtet hätten.
"Es war das erwartet skurile Spiel. Aber ich finde beide Mannschaften haben es ganz gut gemacht", sagte Kölns Manager Horst Heldt. "Es war eine ungewöhnliche Situation für alle." Die geschichtsträchtige Partie konnte die Borussia mit 2:1 (1:0) für sich entscheiden. Breel Embolo brachte das Team vom Niederrhein nach 31 Minuten in Führung. Der Kölner Abwehrspieler Jorge Mere erzielte zudem nach 70 Minuten Eigentor. Nach einem schweren Fehler von Gladbach-Torhüter Yann Sommer traf Mark Uth zehn Minuten vor dem Ende den Anschlusstreffer. Köln hoffte noch einmal, doch dabei blieb es.
Beide Teams brauchten viel Zeit, um sich auf diese besondere Situation einzustellen. Die Partie plätscherte zunächst ereignislos vor sich hin, die Spieler mussten sich selber antreiben, was ihnen nicht leicht zu fallen schien. Die Energie und Emotionen, die bisher stets die vielen Fans auf den Rängen bei den Profis freigesetzt haben, lässt sich offenbar nicht ersetzen.
Stimmung wie in der Kreisliga
Freunde des Amateurfußballs werden sich bei dieser Partie allerdings kaum über die Rahmenbedingungen gewundert haben. An jedem Wochenende wird auf Tausenden (Dorf-)Plätzen in der Republik das durchlebt, was die Fußballprofis in dieser Form wohl so gut wie nie mitbekommen. Jede Ballberührung, jeder Schuss, jeder Ruf, jede Anweisung der Trainer von der Seitenlinie war im leeren Stadion störungsfrei von allen Beteiligten vernehmbar.
Die Gladbacher hatten versucht, zumindest ein wenig Normalität herzustellen. Die Vereinshymne war - wenn auch gedämpft - beim Einlaufen der Spieler zu hören. Auf der Anzeigetafel hätten Zuschauer auch die Aufstellung lesen können, die wurde allerdings ohne das übliche Getöse vorgetragen.
Ordner überwachen die gähnende Leere
Und selbst die eine Minute Nachspielzeit in der ersten Hälfte wurde über das Stadionmikrofon kundgetan. Es war aber nicht die übliche Stimme des Stadionsprechers zu hören, der hatte Urlaub. Der Sicherheitschef übernahm diese Aufgabe dann gleich mal mit. Auch die Zuschauerzahl überbrachte der Mann nach genau einer Stunde: "Heute gibt es keine", ließ er ganz überraschend und wohl auch mit einem Augenzwinkern wissen. Die Gladbacher Ordner, die die gähnende Leere auf den Rängen überwachten, hatten ein Banner aufgehängt, auf dem "Holt den Derbysieg" zu lesen war. Lediglich bei beiden Toren kam jeweils ein Hauch von Stimmung auf, weil ein paar Betreuer auf dem Rasen sowie Offizielle in den Borussia-Logen ihrer Freude freien Lauf ließen.
Nach dem Spiel gingen die Gladbacher Spieler auf die Nordkurve und zeigten sich den sehnsüchtig vor den Außenzäunen wartenden Fans, die vor Freude über den Derbysieg sogar ein Feuerwerk zündeten. Gladbachs Mittelfeldspieler Christoph Kramer fand es "beachtenswert, wie viele Zuschauer gekommen sind. Da weiß man, wofür man hier über den tiefen Rasen läuft". Es waren Gegenbenheiten in Mönchengladbach, an die sich alle Beteiligten - und auch die, die nicht dabei sein können, in den kommenden Wochen erst noch gewöhnen müssen. Schiedsrichter Deniz Aytekin hoffte, dass "sich das nicht langfristig durchsetzt. Da fehlt ganz viel Leidenschaft".