Löw startet Phase der Experimente
5. Juni 2017Mit dem ungewöhnlichsten Turnierkader seiner Amtszeit wagt Joachim Löw den Start in das Fußball-Abenteuer Confederations Cup. Am Dienstag (Anpfiff 20.45 Uhr MESZ) steht für die von Weltmeister Julian Draxler angeführte deutsche Nationalmannschaft im Bröndby Stadion der Ernstfall-Test gegen Dänemark auf dem Programm. Außer dem erkrankten Timo Werner sind alle von Löw auserkorenen Spieler in Kopenhagen mit dabei, auch die beiden spät berufenen Länderspielneulinge Sandro Wagner und Lars Stindl.
"Die erste Woche nehmen wir als Vorbereitung auf den Confed Cup", sagte Löw mit Blick auf ungewisse vier Wochen mit bis zu sieben Länderspielen. "Das Spiel in Dänemark ist eine Standortbestimmung, wo stehen die Spieler nach zwei Wochen Pause."
Bevor es Mitte kommender Woche nach Russland geht, folgt am kommenden Samstag noch ein WM-Qualifikationsspiel in Nürnberg. "Gegen San Marino werden wir gewinnen", sagte Löw - auch mit einem uneingespielten Team. Der freiwillige Verzicht auf die gestandenen Weltmeister von Toni Kroos bis Thomas Müller in diesem Sommer ist ein kalkuliertes Risiko.
Wenige Weltmeister zum Jubiläumsspiel
In Kopenhagen warb der dänische Verband auf Plakaten mit Weltmeister Mesut Özil um Zuschauer für das Jubiläumsspiel 25 Jahre nach dem EM-Titelgewinn gegen den damaligen Finalgegner Deutschland. Zu sehen bekommen die dänischen Fans bei der Neuauflage aber höchstens einen stark abgespeckten Weltmeister. Julian Draxler, Matthias Ginter und Shkodran Mustafi sind die einzigen Titelgewinner von Rio 2014, die im Aufgebot stehen.
Dafür sind gleich sieben Länderspieldebütanten gegen Dänemark dabei: Neben dem Hoffenheimer Wagner und dem Mönchengladbacher Stindl noch Marvin Plattenhardt von Hertha, Hoffenheims Kerem Demirbay, Diego Demme von RB Leipzig, Amin Younes von Ajax Amsterdam und Torwart Kevin Trapp von Paris St. Germain. Löw verzichtete auf eine Nachnominierung für den nicht einsatzbereiten Angreifer Leroy Sane. Wegen Magen-Darm-Beschwerden wird Stürmer Werner den Auftakt in Kopenhagen verpassen. Der 21-Jährige soll aber gegen San Marino zum Team stoßen.
Alles für die Titelverteidigung
Die Spieler hatten für die Zeit seit dem Bundesliga-Ende persönliche Trainingspläne erhalten. Beim Kaltstart gegen Dänemark wird Löw viel improvisieren müssen, eine völlig neu formierte Elf wird auf dem Platz stehen. "In dieser Phase, beim Confed Cup, steht eindeutig die Entwicklung im Vordergrund, nicht einzig und allein erfolgreiches Handeln", sagte Löw zu seinem spannenden Sommer-Experiment. Sein Handeln wird von einem großen Ziel bestimmt. "Den WM-Titel 2018 wieder zu gewinnen, das ist die Vision. Den Confed Cup möglichst erfolgreich zu bestreiten mit Blick auf die Entwicklung der Spieler - das ist die Mission", verdeutlichte Löw.
Die eingeladenen Akteure, besonders die Erstberufenen, gehen die Aufgabe mit Ehrgeiz an. "Ich freue mich riesig", sagte Torjäger Wagner: "Confed Cup ist ja nicht so beliebt bei den meisten - für mich ist das ein Riesenturnier." Auf gerade einmal 150 Länderspiele kommt Löws 22-Mann-Aufgebot. Der Altersschnitt beträgt 24 Jahre. Nur vier Spieler haben im Nationaltrikot schon Tore erzielt - insgesamt acht Treffer.
Etablierte unter Druck setzen
Der Bundestrainer will junge Spieler wie den 22-jährigen Schalker Leon Goretzka oder den 21-jährigen Leverkusener Julian Brandt in Spielen gegen Top-Nationen wie Südamerikameister Chile mit Bayern-Profi Arturo Vidal "auf das nächste Level" heben. "Wenn es gelingt, dass uns drei, vier Spieler im nächsten Jahr entscheidend helfen können bei der WM, dann bin ich zufrieden", erklärte Löw.
Beim WM-Ernstfall 2018 kann er dann wieder auf seine "Superspieler" wie Manuel Neuer, Jerome Boateng, Kroos, Sami Khedira, Özil, Müller oder Mats Hummels setzen. Aber Löw will bis zum angepeilten Confed-Cup-Finale am 2. Juli in St. Petersburg Talente voranbringen, die "auf die Etablierten Druck ausüben". Nur dann sei in Russland der fünfte WM-Titel drin. "Wir wollen den Hunger wieder wecken, den bedingungslosen Hunger auf Erfolg. Nur dann haben wir im nächsten Jahr die Chance, wieder den Titel zu holen. Das ist mein größtes Ziel", sagte Löw.
Das Test-Länderspiel Dänemark gegen Deutschland können Sie bei uns im DW-Livestream mitverfolgen. Los geht es am Dienstag 15 Minuten vor Anpfiff, also um 20.30 Uhr (MESZ).
ck/gri (dpa, sid)