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Wenig Da Vinci bei Da Vinci in Paris

Torsten Landsberg
24. Oktober 2019

Zum 500. Todestag zeigt der Louvre eine große Schau über Leonardo da Vincis Werk. Doch viele seiner Gemälde sind nicht zu sehen. Hier sind die Hintergründe.

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Die "Mona Lisa" von Leonardo da Vinci nach der Renovierung der Ausstellungsräume im Louvre in Paris
Die "Mona Lisa" ist nach wie vor im Louvre zu sehen. Viele von Leonardo da Vincis Bildern haben es zur Schau der Superlative nicht nach Paris geschafftBild: AFP/E. Feferberg

Obwohl Leonardo da Vinci derzeit lediglich zwischen 15 und 20 Malereien zugeschrieben werden, ist die Lage rund um die Pariser Retrospektive zu seinem 500. Todestag unübersichtlich. In der Ausstellung "Leonardo da Vinci", die vom 24. Oktober bis zum 24. Februar kommenden Jahres im Louvre zu sehen ist, wollte das Museum so viele Gemälde des Universalgenies wie möglich präsentieren - hatte dabei aber offensichtlich nicht mit der vehementen Ablehnung von Konservatoren und anderen Museen sowie politischen Ränkespielchen gerechnet.

Fünf Gemälde Leonardo da Vincis (und eines aus seiner Werkstatt) sind nach Angaben des Louvre ohnehin Eigentum des Museums. Es besitzt damit so viele Da-Vinci-Gemälde wie kein anderes Museum. Diese Arbeiten werden im Rahmen der Schau ausgestellt, die "Mona Lisa" verbleibt derweil in den Galerien der Dauerausstellung. Mit dem Versuch, das gesamte Werk des in Italien geborenen Renaissancemalers, der von 1452 bis 1519 lebte, zusammenzutragen, sind die Organisatoren hingegen gescheitert.

Das Gemälde "Madonna Benois" von Leonardo da Vinci im Louvre in Paris
Leihgabe aus Sankt Petersburg: "Madonna mit der Blume", auch bekannt als "Madonna Benois"Bild: picture-alliance/dpa/AP Photo/T. Camus

Wissenschaftler erheben Einspruch

Die Uffizien in Florenz verleihen zwar Kopien von Da-Vinci-Werken sowie Originale seiner Zeichnungen nach Paris, die Gemälde "Die Taufe Christi", "Die Verkündigung" und die "Anbetung der Könige aus dem Morgenland" bleiben dagegen in der Toskana.

Obwohl die Kulturministerien Italiens und Frankreichs nach einigem Hin und Her ein Abkommen für die Leihe beschlossen hatten, erhoben einem Bericht des Magazins "Der Spiegel" zufolge Kunstwissenschaftler und Restauratoren Einspruch: Die Reise könne die Kunstwerke gefährden, der Transport sowie Veränderungen der Luftfeuchtigkeit drohten, die Gemälde zu beschädigen. Sie fürchteten, es könnten sich Pigmente von den Gemälden ablösen.

"Der Heilige Hieronymus in der Wildnis" von Leonardo da Vinci
Leihgabe aus dem Vatikan: "Der Heilige Hieronymus in der Wildnis"Bild: picture-alliance/dpa/akg-images/Nimatallah

"Die Verkündigung" sei 2009 ohnehin auf eine Liste mit Kunstwerken gesetzt worden, die nicht nur das Land, sondern nicht einmal mehr das Museum verlassen dürften. Auch die "Madonna mit der Nelke" aus der Alten Pinakothek in München sei aus konservatorischen Gründen noch nie verliehen worden. Die in der Vergangenheit vielfach verliehene "Dame mit dem Hermelin" aus dem Krakauer Czartoryski-Museum unterliegt einem Reiseverbot, seit das Gemälde dem polnischen Staat gehört.

Die Folge von Nationalismus?

Die Konkurrenz unter den internationalen Museen ist groß - und damit auch die der Länder und Regionen, in denen sie stehen. Die Museen haben ein Interesse daran, ihre größten Schätze selbst auszustellen, weil sie als Magneten für Millionen von Besuchern wirken. Die "Washington Post" schreibt dazu, dass auch das nationale Prestige angesichts des wieder auflebenden Nationalismus die Bereitschaft für Leihgaben einschränke: "Eine Leonardo-Ausstellung ohne die großen Gemälde ist nur ein Abbild unserer Zeit."

Leonardo da Vincis "Der vitruvianische Mensch"
Vor Gericht erkämpft: Die Zeichnung vom vitruvianischen Mensch reist nach ParisBild: Fotolia/Peter Hermes Furian

Insgesamt präsentiert der Louvre mehr als 160 Exponate, darunter 11 Gemälde, über 70 Zeichnungen, Handschriften, Skulpturen und Kunstgegenstände aus dem Schaffen des Malers, Bildhauers, Ingenieurs, Architekten und Philosophen da Vinci und auch Arbeiten seiner Schüler. Die Werke stammen unter anderem aus der Londoner Nationalgalerie, dem British Museum, der Vatikanischen Pinakothek, der italienischen Nationalgalerie in Parma und dem Metropolitan Museum of Art in New York.

Der vitruvianische Mensch darf reisen

Dafür einplanen konnten die Kuratoren in Paris kurzfristig noch da Vincis berühmte Zeichnung des vitruvianischen Menschen, die um 1490 entstand. Die Leihgabe war vorab lange mit Italien vereinbart, doch der Denkmalschutzverein "Italia Nostra" erwirkte eine einstweilige Verfügung: So wichtige Kulturgüter wie der "Vitruvianische Mensch" dürften nicht außer Landes gehen, so der Verein. Das Verwaltungsgericht der Region Venezien wies die Klage schließlich ab.

Ganz ohne Gemälde muss die Ausstellung in Paris nicht auskommen. Die Eremitage in Sankt Petersburg lieh dem Louvre "Madonna Benois", ein Gemälde, das äußerst selten auf Reisen geschickt wird. Der Vatikan lieh außerdem ein unvollendetes Gemälde da Vincis, "Der Heilige Hieronymus in der Wildnis".

Wo ist der Erlöser?

Bleibt noch die nicht enden wollende Geschichte vom "Salvator Mundi", dem "Erlöser der Welt" und ihrem teuersten Gemälde. 2017 war das Bild für rund 450 Millionen US-Dollar ersteigert worden, angeblich im Auftrag des saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman, der auch den Mord am Journalisten Jamal Khashoggi angeordnet haben soll. Zunächst hieß es, der "Salvator" werde im kurz nach der Auktion eröffneten Louvre Abu Dhabi ausgestellt. Doch das Event wurde ohne Begründung abgesagt und das Gemälde nicht mehr öffentlich gesehen. Zuletzt könnte es sein Dasein auf einer Luxusjacht auf den Weltmeeren oder in einem Tresor in der Schweiz gefristet haben - so wird gemutmaßt - jedenfalls nicht in einem Museum.

Um das Gemälde "Salvator Mundi" gibt es einen Urheberstreit. Ist das teuerste Gemälde der Welt wirklich von Leonardo da Vinci gemalt?
Wer hat's gemalt? "Salvator Mundi", das teuerste Gemälde der WeltBild: picture-alliance/AP Photo/K. Wigglesworth

Überliefert ist, dass die Kuratoren das Gemälde für die Pariser Ausstellung haben wollten, sich aber vorbehalten haben, selbst über die Informationen auf der Tafel neben dem Bild zu bestimmen. Das wiederum würde einen wunden Punkt treffen, die heikle Frage der Urheberschaft des Bildes: Darüber, ob das Werk wirklich von Leonardo da Vinci stammt oder eher von einem seiner Schüler, herrscht bis heute Uneinigkeit.

Louvre kann Rätsel um "Salvator Mundi" nicht lösen

Auf der Informationstafel neben dem Bild hätte vermutlich eine Einschätzung dessen gestanden: Würde der Louvre als Besitzer der "Mona Lisa" und Autorität der Kunstwelt den "Salvator Mundi" als echten da Vinci ausstellen, hätte sich die Diskussion um die Urheberschaft des Bildes wohl erledigt. Sollte das Museum hingegen den Standpunkt vertreten, das umstrittene Bild stamme lediglich aus Leonardo da Vincis Werkstatt, würde sich der Wert des Werks im Nu atomisieren. Und welcher Besitzer würde sich diesem Risiko ohne Not aussetzen?

Das teuerste Gemälde der Welt bleibt der Öffentlichkeit also verborgen. Oder doch nicht? Kurz vor der Eröffnung gab es - wie es sich für eine wahren Kunst-Krimi gehört - Gerüchte: Der "Salvator" könne womöglich noch im Louvre auftauchen, ließ das Museum verlautbaren. Immerhin eine Version des Erlösers gibt es definitiv in der Ausstellung zu sehen: Laut Katalog wurde sie unter Anleitung Leonardo da Vincis von einem seiner Schüler angefertigt.

Louvre erwartet "Leonardo-Hype"

Waren die Vorbereitungen zur Schau auch schwierig, sie werden sich für den Louvre vermutlich auszahlen: Das Museum rechnet damit, dass jeden Tag 5000 bis 7000 Besucherinnen und Besucher die Ausstellung über Leonardo da Vincis Werk sehen möchten. Bereits vor der Eröffnung wurden mehr als 180.000 Tickets online verkauft.