Milliarden-Ausgleich bei No-Deal-Brexit
28. September 2019Ein Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union wird auch zu finanziellen Verwerfungen auf der Insel führen. Davor warnen Experten seit langem. Den unter massivem Druck stehenden Premierminister Boris Johnson ficht das bislang nicht an. Er träumt unbeirrt weiter von goldenen Zeiten ohne den "Knebel" der EU.
Andere Regierungsmitglieder sind da offenbar schon weiter. Sein Finanzminister Sajid Javid kündigte in einem Gespräch mit der Zeitung "Daily Mail" an, die Regierung in London wolle 16,6 Milliarden Pfund (über 18 Milliarden Euro) bereitstellen, um bei einem ungeregelten EU-Austritt das Ausbleiben von EU-Geldern auszugleichen.
Javid spricht von "einigen Störungen"
In diesem Falle sollen Unternehmen, Hochschulen und Wohltätigkeitsorganisationen bereits im kommenden Jahr 4,3 Milliarden Pfund bekommen. Details nannte er nicht. Javid räumte in dem Interview ein, dass es bei einem Austritt ohne Abkommen zu "einigen Störungen" kommen könne. Ein No-Deal-Brexit am 31. Oktober sei aber weniger schlimm, als gar nicht aus der Staatengemeinschaft auszutreten. Der Minister befürchtet, dass die Gesellschaft dann für immer zerrissen sei. Der Brexit, für den die Briten 2016 gestimmt hätten, werde das Land wieder einigen.
Brexit in der politischen Sackgasse
Premier Johnson will Großbritannien am 31. Oktober aus der Europäischen Union führen - notfalls auch ohne Abkommen, obwohl ein neues Gesetz ihm das untersagt. Wie er dieses Gesetz umgehen will, ist unklar. Das britische Parlament ist im Brexit-Kurs total zerstritten.
Da die Tories im Unterhaus keine Mehrheit mehr haben, Johnson aber auch nicht zurücktreten will und eine Verschiebung des Brexits ausschließt, bleibt ihm eigentlich nur eine Option: eine Einigung mit der EU, damit Großbritannien Ende Oktober mit Vertrag ausscheiden kann.
Aber auch die Gespräche zwischen London und Brüssel treten trotz des großen Zeitdrucks auf der Stelle. Ein Treffen von EU-Unterhändler Michel Barnier mit Brexit-Minister Stephen Barclay am Freitag brachte wieder keinen erkennbaren Fortschritt. Nach Barniers Treffen mit Barclay vermochte keine der beiden Seiten, greifbare Ergebnisse zu vermelden.
Dabei wächst in London der Druck auf Johnson. Die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon forderte seinen Sturz. Rachel Johnson kritisierte die Kriegsrhetorik ihres Bruders und dessen verbale Rundumschläge.
qu/pg (dpa, rtr)