Lob und etwas Nachsicht in der Krise
16. Oktober 2012Wenn die Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände zu ihrem Verbandstag einlädt, dann lässt sich kaum jemand lange bitten. Mit der Bundeskanzlerin und den Fraktionsvorsitzenden von SPD, FDP und Grünen standen in diesem Jahr gleich vier Spitzenpolitiker auf der Rednerliste.
Eine Million Unternehmen in Deutschland mit rund 20 Millionen Beschäftigten sind in der BDA zusammengeschlossen. Eine mächtige Interessensvertretung, die die Politik gerade in Krisenzeiten auf ihrer Seite wissen will. Wird doch von Deutschland im Moment erwartet, dass das Land alles dafür tut, um seine Konjunktur weiter anzukurbeln und Wachstumslokomotive für den gesamten europäischen Raum zu bleiben.
Eine nicht ganz leichte Aufgabe, haben die Wirtschaftsforscher ihre Wachstumsprognosen für das kommende Jahr doch fast halbiert. BDA-Präsident Dieter Hundt sieht dennoch keinen Grund für Pessimismus. "Ich bin, im Moment zumindest, noch weit davon entfernt, von einer Krise zu reden." Es sei vielmehr eine verstärkte Verunsicherung in der Wirtschaft festzustellen. Über allem schwebe unverändert das Damoklesschwert der Schuldenkrise in einigen Euroländern. "Wenn aber von dort kein wirklicher Crash kommt, dann denke ich, dass in Deutschland die Konjunktur auch im nächsten Jahr auf einem relativ hohen Niveau verbleibt und wir wesentlich besser dastehen werden, als einige Länder um uns herum", so Hundt.
Wie es Europa geht, so geht es auch Deutschland
Die Zeiten werden härter, das weiß auch die Bundeskanzlerin. Vor den rund 1500 geladenen Gästen des Arbeitgebertags arbeitete sie sich in einer halbstündigen Rede durch alle derzeit zwischen Wirtschaft und Politik strittigen Themen. Von den steigenden Energiepreisen, über die Steuer-, Renten- und Tarifpolitik bis zum Mangel an Fachkräften. Die meiste Zeit verwendete die Kanzlerin aber auf das Thema Europa. Vor allem die exportorientierten Unternehmen werden von der Krise belastet. 40 Prozent aller in Deutschland produzierten Waren werden in die Eurozone verkauft, 60 Prozent in die EU.
Die Kanzlerin sieht Aufgaben auf zwei Ebene. Zum einen sei es wichtig, trotz der im Augenblick noch guten Lage, in der Deutschland sich befinde, "nicht zu vergessen, die Weichen für die Zukunft zu stellen". Zweitens müssten die Probleme in Europa "mit aller Leidenschaft" gelöst werden. "Deutschland geht es nur gut, wenn es auch Europa gut geht", so Merkel. "So wie wir für Deutschland sagen können, wir sind stärker aus der Krise 2008/2009 herausgekommen, als wir hineingegangen sind, so muss das eines Tages auch für Europa gelten, dass es stärker aus der Krise herauskommt, als es hineingegangen ist."
Die hohe Verschuldung einzelner Staaten sei nur deshalb ein besonderes Problem, weil die Wettbewerbsfähigkeit im Euroraum nicht ausreichend hoch sei. Potenzielle Investoren hätten nicht das Gefühl, ihr Geld dort sicher investieren zu können. Fragen, wie die Lohnzusatzkosten zu senken sind und wie der Arbeitsmarkt flexibilisiert werden kann, würden in den Krisenstaaten noch nicht mit der Selbstverständlichkeit gestellt, wie das in Deutschland inzwischen der Fall sei. Aber, so attestiert Merkel Ländern wie Spanien, Portugal und auch Griechenland: Es gehe durchaus voran. "Man kann vieles über Griechenland sagen, aber es ist dort ganz viel in Gang gekommen - langsamer, als wir uns das manchmal vorstellen und vielleicht auch nicht so effizient, wie wir uns das manchmal vorstellen -, aber es hat sich im gesamten Denken doch etwas verändert."
Nicht auf andere zeigen
Die Mühe, der enorme Einsatz der übrigen Euro-Länder lohne sich also. Man sei in der Schuldenkrise zwar noch nicht am Ende des Weges, aber ein ganzes Stück vorangekommen. "Deshalb müssen wir auf der einen Seite an vielen Stellen natürlich streng sein", betont die Kanzlerin. "Aber auf der anderen Seite müssen wir auch manchmal daran denken, wie schwer wir uns bei mancher Reform tun und deshalb auch nicht dauern Grund haben, auf andere zu zeigen, die etwas langsamer sind."
Ungewohnt nachsichtige Worte von einer Bundeskanzlerin, die bislang vor allem Härte gezeigt hatte. Doch auch der SPD-Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier erinnerte in seiner Rede daran, dass Deutschland zehn Jahre gebraucht habe, um sich vom kranken Mann Europas zur Konjunkturlokomotive zu entwickeln. Es seien "mühsame, schwere und harte Entscheidungen" gewesen, mit denen sich Deutschland nach oben gekämpft habe. Und mit der Agenda 2010 sei noch nicht einmal das "Paradies in Deutschland geschaffen" worden.