Lkw-Fahrer: Das Märchen von der EU-Hilfe
11. Dezember 2018"Brummifahren war mal schön, aber heute mache ich das nur noch, weil mir sonst nichts anderes bleibt. Die offenen Grenzen haben so viel kaputt gemacht", sagt André Bergner schroff, während er sich an seinen grünen 40-Tonner lehnt.
Gemeint sind die Fahrer aus dem europäischen Osten, die viel günstiger sind als er selbst. 24 Jahre zuckelt er schon über die Straßen Europas. Früher wochenlang am Stück durch Skandinavien, den Osten Europas bis runter nach Italien. Jetzt ist er am Wochenende zu Hause. "Meine Frau hat das irgendwann nicht mehr mitgemacht", brummt er und schaut verlegen auf den Boden.
Fürsorge oder Protektionismus?
Der Vorschlag der EU-Verkehrsminister sieht die europaweite Einhaltung einer 45-stündigen Pause außerhalb der Fahrerkabine vor, nachdem sie sechs Tage unterwegs waren. Die Fahrer müssten zurück nach Hause oder in einem Hotel in der Nähe unterkommen. Außerdem soll am gleichen Ort für die gleiche Leistung auch das gleiche Gehalt gezahlt werden.
Weiter will man dauerhafte, mehrwöchige Auslandstouren von Fahrern unterbinden, indem sie eine siebentägige Pause im Heimatland einlegen müssen. Der Beschluss muss noch durch das Europäische Parlament, aber die Osteuropäer werfen dem Westen jetzt schon Protektionismus vor.
Im täglichen Stau
"Wo sollen denn die ganzen Hotels für die ganzen Fahrer herkommen, oder die Stellplätze? Die gibt es nicht", wütet Bergner während er die Tür der Fahrerkabine zuzieht. Oftmals kriege er schon mittags keinen Parkplatz mehr und für die Nacht müsse man einen bis 18 Uhr ergattern. "Ansonsten kannst du direkt durchfahren. Da hat wieder keiner nachgedacht", sagt er, startet kopfschüttelnd den Motor und dirigiert den riesigen LKW in Richtung Autobahn.
Es dauert keine zwanzig Minuten und der erste Stau ist in Sichtweite. "Mit Brummi-Nostalgie hat das alles nichts mehr zu tun. Guck sich mal einer an, wie die fahren", sagt er, während ein litauischer Autotransporter mit 50 km/h vorbeirauscht und einschert. Das wäre schon mit einem Auto mutig gewesen.
Für die Spediteure wird's teurer
Während er sich über den Asphalt kämpft, koordiniert Michael Sünkler die Touren für den nächsten Tag. Seit 2004 leitet er die Sünkler-Spedition in Berlin. "Natürlich ist der Gedanke einer allgemeinen Lohnangleichung kein schlechter, aber wer soll das alles kontrollieren und wie?"
Für unterschiedliche Arten von grenzüberschreitenden Transporten ist immer noch eine unterschiedliche Entlohnung möglich. Für Kontrollbeamte ist es aber fast unmöglich, die Art des Transports einwandfrei nachzuvollziehen. Geschweige denn die Bezahlung.
"Und die ganzen Mehrkosten bezahlt mir auch keiner", prognostiziert Sünkler kühl. Unternehmer müssten ihre Fahrer entweder vor Ort durch frische ersetzen oder irgendwo unterbringen. Dafür fehlen aber entweder die Fahrer oder die Infrastruktur an Parkplätzen und Hotels.
"Ein Stück weit liegt es natürlich an uns allen. Wir kaufen den teuersten, geilsten und besten Fernseher, aber wenn der Transport 20 Euro kostet, dann sagen wir: Ne, kann ich mir nicht leisten."
Zurück auf der Autobahn …
Der nächste LKW strebt ein „Elefantenrennen" mit Andre Bergner an. Er seufzt, geht achselzuckend vom Gas und lässt den Schweinetransporter passieren - dieses Mal ein deutsches Fahrzeug. Ob er will oder nicht: 15 Jahre hat er noch vor sich. „Meinen Ältesten konnte ich echt nicht davon abhalten. Früher saß er bei mir auf dem Schoß, und jetzt kommt er da mit seinem eigenen Truck um die Ecke", sagt Bergner.