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Libyen im Chaos

Diana Hodali15. Juli 2014

Die Gefechte am Flughafen Tripolis nehmen kein Ende. Denn die verfeindeten Milizen kämpfen weiter um die Vorherrschaft in Libyen. Ein neues Parlament wird es schwer haben.

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Rauch steigt auf vom Flughafen Tripolis (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Es könnte Monate dauern, bis der Flughafen in Tripolis wieder geöffnet werden kann. Der Tower wurde am Dienstag (15.07.2014) mit Raketen beschossen, dutzende Flugzeuge und auch Tankfahrzeuge beschädigt. Nach Angaben des Online-Portals Libya Herald wurden mindestens 35 Menschen getötet und 70 weitere verletzt. Ob unter den Toten auch Zivilisten waren, ist noch unklar. Regierungssprecher Ahmad Lamin befürchtet einen Schaden in Millionenhöhe für den Wiederaufbau, aber auch für die libysche Wirtschaft. Der Flughafen in Tripolis ist eine der Hauptverkehrsadern des nordafrikanischen Landes. Ausweichflughäfen gibt es derzeit nicht: Der zweitgrößte Flughafen in Bengasi ist schon seit Monaten wegen gewalttätigen Auseinandersetzungen geschlossen, und seit Montag auch der in Misrata.

Zwischen den verschiedenen bewaffneten Gruppen in Libyen gibt es offenbar noch viele Rechnungen zu begleichen. Begonnen hatten die jüngsten Kämpfe rund um den Flughafen Tripolis am Sonntag, als eine Koalition aus islamistischen Misrata-und Tripolis-Milizen eine Offensive gegen die verfeindeten Milizen der Stadt Sintan gestartet hatte. Diese kontrollieren seit dem Sturz von Machthaber Muammar al-Gaddafi das Gebiet um den Flughafen.

Sicherheitslage wird immer schlechter

Die Sicherheitslage wird von den Vereinten Nationen als so kritisch eingeschätzt, dass man sogar das eigene Personal der United Nations Support Mission in Libya (UNSMIL) vorerst abgezogen hat. Unter den derzeitigen Bedingungen sei es nicht möglich, die Arbeit in Libyen fortzusetzen, gab UNSMIL bekannt. Die Mission sollte dazu beitragen, das Land zu stabilisieren und eine demokratische Entwicklung zu ermöglichen. Doch das scheint auch drei Jahre nach dem Sturz des Diktators noch in weiter Ferne.

Porträt des libyschen Generals Chalifa Haftar (Foto: David Enders)
General Haftar kämpft gegen islamistische BrigadenBild: picture-alliance/dpa

Denn die Macht konnte nicht zwischen einzelnen Städten, Stämmen, Regionen und der Zentralregierung ausbalanciert werden. Während der Revolution sind viele lokale Machtzentren entstanden, in denen Städte und Stämme - teilweise gestützt auf lokale Milizen - um die politische und wirtschaftliche Vorherrschaft konkurrieren. Gaddafis Politik habe für diese Spaltung gesorgt, sagt Günter Meyer vom Zentrum für Arabische Studien in Mainz: "Er hat die Stämme gegeneinander ausgespielt. Den Westen des Landes hat er immer bevorzugt und den Osten vernachlässigt."

Kampf gegen Islamisten im Land

Mitte Mai startete der ehemalige General Chalifa Haftar mit seiner paramilitärischen "Nationalen Armee" Kämpfe gegen islamistische Brigaden in Bengasi. Seither findet der Mann, der unter Diktator Muammar al-Gaddafi Armeechef war, dann in Ungnade fiel und beim Sturz Gaddafis half, immer mehr Anhänger - auch aus den Reihen der Armee. Und vor allem aus den Reihen der Sintan-Milizen, die sich seiner "Nationalen Armee" angeschlossen haben. Wie hoch die Zahl seiner Anhänger ist, sagt Chalifa Haftar nicht. Doch er erklärte, dass das Verteidigungsministerium, dem die Sintan-Milizen eigentlich unterstehen, nichts mehr zu sagen habe. "Das Ministerium kontrolliert noch seine Mitarbeiter im Gebäude und die Akten auf dem Tisch", sagte er kürzlich gegenüber der britischen Zeitung "The Guardian". Haftars erklärtes Ziel ist es, islamistische Streitkräfte und deren Unterstützer - auch innerhalb des noch amtierenden Parlaments - aus dem ganzen Land zu vertreiben. Seither versinkt Libyen allerdings in Gewalt und die Kämpfe zwischen islamistischen Milizen und den Anhängern Haftars gehen unvermindert weiter.

Neues Parlament soll es richten

Daher liegt immer noch große Hoffnung auf dem Ergebnis der Parlamentswahl, das am 20. Juli erwartet wird. Die Wahlbeteiligung lag allerdings bei nur etwa 42 Prozent, im Osten des Landes konnte aufgrund der Sicherheitslage gar nicht gewählt werden und es ist die Rede von Wahlmanipulation. Die Ergebnisse von 24 der 1600 Wahllokale müssen aller Voraussicht nach für ungültig erklärt werden, weitere könnten folgen. Um politische Spannungen zu reduzieren, waren nur unabhängige Kandidaten angetreten - Parteilisten gab es nicht. "Einiges deutet darauf hin, dass die Islamisten deutliche Verluste zu verzeichnen haben", sagt Libyen-Experte Meyer. "Die Stimmung, die Haftar gegen Islamisten gemacht hat, scheint auf fruchtbaren Boden gefallen zu sein."

Zwei Männer tragen eine Urne nach der Parlamentswahl in Libyen im Juni (Foto: Reuters)
Parlamentswahl im Juni: Das Ergebnis wird mit Spannung erwartetBild: Reuters

Das 2012 gewählte Übergangsparlament sollte eigentlich schon im Februar abgelöst werden, hatte sein Mandat aber bis Dezember verlängern wollen. Die Wahl wurde vorgezogen, um Libyen aus der Krise zu führen. Und die Europäische Union drängt das neugewählte Parlament angesichts der eskalierenden Gewalt, umgehend zusammenzutreten, um eine neue Regierung mit breiter Unterstützung der verschiedenen Gruppierungen zu bilden. Doch einfach wird es für ein neues Parlament nicht, denn in Zukunft soll es in einem Hotel in Bengasi zusammenkommen, um den vernachlässigten Osten des Landes zu stärken. Doch besonders in Bengasi sind die Kämpfe zwischen den verschiedenen Milizen täglich präsent. "Sollten diese Milizen weiterhin das Sagen haben, bleibt auch das neue Parlament und die daraus hervorgehende Regierung machtlos", sagt Günter Meyer.

Die amtierende Regierung sieht derzeit noch keinen Ausweg aus der Gewaltspirale und erwägt daher den Ruf nach militärischer Hilfe aus dem Ausland.