Leidenschaft und Eigensinn: unabhängige Verlage
22. Oktober 2013"Es kann nicht einfach darum gehen, tolle Literatur zu verlegen, Sie müssen tolle Literatur auch verkaufen. Das ist das Ziel eines Verlags!" Jürgen Kill sitzt inmitten von Umzugskisten und Bücherstapeln. Vor kurzem hat er neue Büroräume im Zentrum von München bezogen. Von draußen dringt Baulärm durch die offenen Fenster. Seit zwölf Jahren führt er den kleinen Liebeskind-Verlag. Er hat sich inzwischen etabliert. Mit ein einer Handvoll Titel jedes Jahr, Romane und Erzählungen, hat er sich in der Szene einen Namen gemacht.
Schwierige Anfangsphasen
Hinter Liebeskind liegen schwierigere Anfangsjahre. Genauso wie bei Lilienfeld und Dörlemann. Doch Inzwischen haben sich die drei Kleinverlage durchgesetzt, behaupten sich auf dem hart umkämpften Buchmarkt. Verlagsriesen wie Random House mit ihren unzähligen Ablegern wirken mit ihren Millionenumsätzen im Vergleich dazu wie riesige unbewegliche Tanker: erfolgreich, aber auch gesichtslos. Auch mit Häusern mittlerer Größe wie Suhrkamp oder Hanser lassen sich die mit nur ganz wenigen Mitarbeiten arbeitenden Verlage Liebeskind, Lilienfeld und Dörlemann kaum vergleichen.
Idealistisch müsse man sein, sagt Axel von Ernst, der gemeinsam mit Viola Eckelt seit ein paar Jahren den Lilienfeld-Verlag in Düsseldorf betreibt. In der ersten Zeit habe man nur Geld reingesteckt in das Unternehmen. Heute trägt es sich. Man schreibt schwarze Zahlen. Doch reich werden könne man nicht mit dem Verkauf anspruchsvoller Literatur. Ernst und Eckelt haben nebenbei noch andere Jobs. Doch ihre Leidenschaft stecken sie in ihre Bücher und in den Verlag: "Es ist ja nun einmal so, dass ganze Bereiche der Buchkultur vom Idealismus leben", sagt Axel von Ernst im Gespräch mit der Deutschen Welle.
Glück mit dem Nobelpreis
Das sieht Sabine Dörlemann vom gleichnamigen in Zürich beheimateten Verlag genauso. Als die drei wichtigsten Eigenschaften einer Verlegerin zählt sie Begeisterung, Geduld und Durchsetzungsstärke auf. Auch der Schweizer Verlag, der den größten Teil seiner Bücher in Deutschland verkauft, setzt auf wenige Titel im Jahr. Gerade hat man die frischgebackene Nobelpreisträgerin Alice Munro gefeiert, die auch bei Dörlemann verlegt wird. Konzentration auf einige wenige Bücher heißt eine Zauberformel kleinerer Verlage. Man könne es sich nicht leisten, Autoren "auszuprobieren" wie die großen Verlage, sagt auch Jürgen Kill. Das sei aus finanziellen Gründen nicht machbar.
"Wir müssen hinter jedem Titel stehen, wir müssen uns für jeden einzelnen Titel voll einsetzen." Das gehe nur in einem Kleinverlag mit überschaubaren Programm, meint Kill. Die Unabhängigkeit wird dabei als hohes Gut geschätzt. Unter das Dach eines größeren Verlages zu schlüpfen, wie es ein paar kleinere, unabhängige Unternehmen nach einer Anfangszeit aus Gründen größerer finanzieller Planungssicherheit immer mal wieder machen, war für Kill nie eine Option: "Auch weil wir es nicht nötig haben", meint er selbstbewusst.
Voraussetzung ist der finanzielle Erfolg
Das ist der springende Punkt. Verlage wie Liebeskind, Dörlemann und Lilienfeld müssen irgendwann Erfolg haben, die Bücher müssen verkauft werden. Hauptgrund für einen solchen Erfolg ist natürlich das ausgewählt gute Programm: Anspruchsvoll, aber doch sehr lesbar sind die Bücher, literarisch wertvoll, aber nicht abgehoben - so könnte man das belletristische Programm auf den Punkt bringen. Die drei Verlage setzten kontinuierlich auf Wiederentdeckungen, auf ältere, lange vergessene Klassiker und weniger bekannte Autorinnen und Autoren.
Dörlemann ist vor genau zehn Jahren mit einem Buch des russischen Nobelpreisträgers Iwan Bunin erfolgreich gestartet. Es gab enthusiastische Kritiken. "Ein unbekannter Freund" ist immer noch der meistverkaufte Titel des Verlags. Andere Autoren, die Dörlemann auf dem Markt durchsetzen konnte, sind der britische Reiseschriftsteller Patrick Leigh Fermor oder jüngst der US-Autor Richard Hughes, dessen Romane aus den 20er und 30er Jahren derzeit von der Kritik gefeiert werden.
Anspruchsvolle Krimis und Exoten
Auch bei Liebeskind trifft man auf viele Autoren aus dem englischen Sprachraum. Populär sind die Krimis des Amerikaners David Peace. Aber auch eine zuvor in Deutschland kaum bekannte japanische Schriftstellerin konnte man durchsetzen: Yoko Ogawa. Auch Lilienfeld gräbt unentwegt nach literarischen Perlen. Stolz ist Axel von Ernst auf die Entdeckung des österreichischen Autors Hans Adler. Und weil bei der Buchmesse gerade das Gastland Brasilien gefeiert wurde, hat man mit Moacyr Scliars Roman "Die Ein Mann Armee" auch einen literarischen Klassiker vom Amazonas im Programm.
Ein weiteres Erfolgsgeheimnis der drei Verlage ist der Anspruch, auch optisch schöne Bücher anzubieten. Lilienfeld und Dörlemann haben besonders viele Leinenbände im Angebot. Liebeskind-Bücher zeichnen sich durch ein farblich und gestalterisch modern wirkendes Design aus. So erkennen potenzielle Kunden Bücher der drei Verlage direkt. Sie heben sich ab vom Einerlei der vielen Neuerscheinungen.
Kurze Entscheidungswege, schnelle Reaktionen
Und so blickt Liebeskind-Verleger Jürgen Kill in seinem neuen Münchner Büro verhalten optimistisch in die Zukunft. Mit der Arbeit in einem Großverlag möchte er nicht tauschen. "Die Entscheidungswege in einem Kleinverlag sind einfach kürzer", meint er. Man könne schneller reagieren, sei agiler. Sicher könne man bei potenziellen Bestsellern mit Großverlagen nicht mitbieten. Doch das wird durch die Freude am Entdecken ausgeglichen. Auch in Zeiten des digitalen Wandels und E-Books kommt es auf die individuellen Fähigkeiten der Verleger an: Intelligenz und Neugier, Mut und Nachhaltigkeit - nur so kann man über einen längeren Zeitraum einen unabhängigen Kleinverlag am Markt halten.