Leere Warnungen an Putin
1. März 2014Nachdem sich die Lage in der ukrainischen Hauptstadt Kiew zunehmend stabilisiert und eine Übergangsregierung ihre Arbeit aufgenommen hat, richtet sich der internationale Fokus auf die Situation auf der ukrainischen Halbinsel Krim. Berichte über pro-russische Truppen, die die Flughäfen und wichtige Zufahrtsstraßen auf die Krim kontrollierten, sorgten in den Hauptstädten der EU und in den USA für Besorgnis. Nun hat auch der russische Föderationsrat offiziell einem Truppeneinsatz auf der Krim zugestimmt.
Am Samstag (01.03.2014) teilte der internationale Flughafen in Simferopol auf der Krim mit, dass der Luftraum gesperrt sei: Derzeit fänden keine Flüge statt. Russische Streitkräfte versuchen nach Informationen der Nachrichtenagentur Interfax aus ukrainischen Militärkreisen, die Kontrolle über eine Luftabwehrstellung auf der Krim zu bekommen.
Aufruf zum Rückzug aus dem Westen
Unterdessen forderte der ukrainische Regierungschef Arseni Jazenjuk Russland zum Rückzug auf. "Die unangemessene Präsenz russischer Soldaten auf der Krim ist eine Provokation", sagte er. Er will, dass Russland "die Streitkräfte zurückzieht und in den vorgesehenen Stützpunkten unterbringt".
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel mahnte am Samstag in Berlin, es müsse alles dafür getan werden, "dass die territoriale Integrität gewahrt wird". Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier nannte die jüngsten Entwicklungen in der Ukraine "gefährlich".
Auch Martin Schulz, Präsident des Europäischen Parlaments, warnte in Rom vor einer Spaltung des Landes. "Die territoriale Integrität der Ukraine ist nicht verhandelbar. Deshalb glaube ich, dass wir schnell diplomatisch handeln müssen, um Weiterungen einzudämmen. Dazu gehört nach meinem Dafürhalten auch, dass die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, in dem ja sowohl die Russische Föderation als auch die Ukraine Mitglied sind, ein Instrument sein könnte."
In den USA äußerte sich Präsident Barack Obama besorgt über die Lage auf der Krim: "Jegliche Verletzung der Souveränität und territorialen Integrität der Ukraine ist zutiefst destabilisierend." Konkrete Konsequenzen an die Adresse Russlands kündigte er nicht an. Er machte aber klar: "Die Vereinigten Staaten werden an der Seite der internationalen Gemeinschaft stehen und bekräftigen, dass jegliche militärische Intervention in der Ukraine ihren Preis haben wird."
Keine westliche Militäraktion auf der Krim
Dass dieser Preis eine militärische Intervention der USA oder der NATO sei, hält der Politikwissenschaftler Felix Schimansky-Geier für ausgeschlossen: "Kein amerikanischer Soldat und kein britischer Soldat wird für eine ukrainische Krim sterben." Schimansky-Geier, der zurzeit an der Nationalen Universität der Mohyla-Akademie in Kiew tätig ist, hält auch die Folgen eines militärischen Eingreifens des Westens für unkalkulierbar. "Jede Meldung über eine militärische Unterstützung der Ukraine durch westliche Staaten würde in Russland auf extreme Gegenreaktionen treffen."
Die USA und Großbritannien, so Schimansky-Geier, hätten aber eine besondere Verantwortung für die Ukraine. Beide Staaten haben 1994 gemeinsam mit Russland ein Memorandum unterzeichnet, worin sie sich verpflichten, die Unabhängigkeit und die bestehenden Grenzen der Ukraine zu garantieren. Im Gegenzug verzichtete die Ukraine auf die nach dem Zerfall der Sowjetunion im Land verbliebenen Atomwaffen und unterzeichnete den Atomwaffensperrvertrag. "Das Problem dabei ist", so Schimansky-Geier, "dass diese Vereinbarung von Budapest nur eine Absichtserklärung ist. Es gibt keine militärische Beistandserklärung für den Fall, dass russische Kräfte die Ukraine besetzen."
Ähnlich sieht das auch Andreas Umland, Mitherausgeber des "Forums für osteuropäische Ideen- und Zeitgeschichte": "Einen Krieg wird die NATO und werden die USA wegen der Krim nicht mit Russland anfangen. Das wird sich auf Protestnoten beschränken."
Putins Kalkül
Die russische Machtdemonstration auf der Krim, da ist sich Felix Schimansky-Geier sicher, richtet sich vor allem an die eigene Bevölkerung in Russland. Putin wolle so intern seine Macht demonstrieren und zeigen, dass er schnell und entschlossen durchgreifen kann. Sein Ruf im Westen sei ihm dabei ziemlich gleichgültig.
Doch welche Möglichkeiten hat der Westen, eine russische Besatzung der Krim zu sanktionieren? Die USA und die EU könnten vor allem die Regierung in Kiew wirtschaftlich unterstützen, meint Schimansky-Geier. Gleichzeitig sollte die EU ihre Haltung zu Russland überdenken, ergänzt Umland: "Die russische Wirtschaft ist abhängig vom Handel mit der EU. Da wird sich zukünftig sicher einiges ändern müssen."