Nachaltigkeit durch Selbstverwaltung
11. Juni 2012Ihre Heimat ist der Regenwald, das Ökosystem die Grundlage ihrer Existenz. Seit Generationen leben sie von dem, was ihnen Wald und Fluss bescheren: Fische, Krebse, Nüsse, Beeren.
Doch erst seit einigen Jahren können die Bewohner der Asche-Insel, der Ilha das Cinzas, im Norden des Bundesstaates Pará die Früchte ihrer Arbeit selbst genießen: Heute besitzt jede der 60 Familien der Kommune ein eigenes Boot.
Ihre Häuser sind mit Parabolantennen ausgestattet, und es gibt Gemeinschaftscomputer, die via Satellit mit dem Internet verbunden sind. Auch an Diesel für den Strom-Generator fehlt es immer seltener.
Kampf um Rechte
Diesen bescheidenen Wohlstand hätten sie wohl nicht erreicht, hätten sie nicht vor 15 Jahren begonnen, dafür zu kämpfen. "Vorher waren hier alle sehr arm. Inzwischen haben wir eine Menge erreicht", erzählt Manuel Malheiros de Oliveira, Vorsitzender der Arbeitervereinigung auf der Ilha das Cinzas.
Damals beherrschte ein Großgrundbesitzer das Gebiet rund um die Stadt Gurupá, zu deren Verwaltungsbezirk die Flussinsel gehört. Ihm mussten die Bewohner ihre Ernte verkaufen, zudem erhob er fünf Prozent Steuer auf die Nutzung "seines" Bodens. Bis zum Jahr 2000, als sich die Unterdrückten mit Hilfe der Gewerkschaft der Landarbeiter und Landarbeiterinnen gegen ihn auflehnten.
Die Fläche, auf die der "Patrão" Jahrzehnte lang Anspruch erhob, ist doppelt so groß wie der Verwaltungsbezirk Gurupá und damit etwa so groß wie Thüringen. "Doch es stellte sich heraus, dass die Papiere, mit denen er seinen Besitz dokumentierte, größtenteils wertlos oder gefälscht waren" berichtet Manuel Pantoja da Costa.
Er ist Präsident des Instituto Gurupá, das mit Unterstützung der nationalen NGO Fase, der Vereinigung von Institutionen zur Unterstützung von Sozialwesen und Bildung, die lokalen Kommunen in Rechtsfragen berät.
"Zehn Jahre lang haben wir die Bewohner über Gesetze und Rechte informiert" erklärt der Fase-Aktivist und Agraringenieur Jorge Pinto. "Auf Basis dieses Wissens haben sie sich ihre Rechte dann selbst erstritten. "Nach und nach erhielten immer mehr Verbände von Landarbeiter und Waldbauern in der Stadt Gurupá Landnutzungsrechte.
Kollektiver Nutzungsplan
Vier Jahre lang, von 2002 bis 2006, hat es gedauert, bis der Antrag von der zuständigen Regierungsbehörde bewilligt wurde und die 60 Familien der Ilha das Cinzas diese Nutzungsrechte erhielten. Dabei lag bereits 1997 eine Vereinbarung zur nachhaltigen Ausbeutung des Regenwaldes vor. Der kollektiv ausgearbeitete Nutzungsplan regelt, wer was wo anbauen, ernten oder jagen darf.
Heute nutzt jede Familie beispielsweise nur noch 75 Krebsfallen – vorher waren es 200. "Seither ist der Preis für Flusskrebs gestiegen und die Arbeitsstunden sind gesunken", bilanziert das Gemeindemitglied Francisco Barbosa Malheiros.
Diese Zeit nutzen die Inselbewohner nun, um Açaí-Beeren zu ernten - heute ist der Verkauf der beliebten Speisefrucht die größte Einnahmequelle der Kommune. Das durchschnittliche Einkommen einer Familie auf der Ilha das Cinzas ist inzwischen von einem auf 2,5 brasilianische Mindestlöhne gestiegen, umgerechnet sind das rund 650 Euro.
"Die deutliche Steigerung des Lebensstandards steht in direktem Zusammenhang mit der nachhaltigen Ausbeutung des Regenwaldes", meint der ehemalige Leiter der brasilianischen Waldbehörde Luís Carlos Joels.
Nachhaltige Wirtschaft
Diese Entwicklung hat nicht nur geholfen, die Armut der Bewohner der Ascheinsel zu schmälern. Dank der Initiative der Bürger von Gurupá sind heute 96 Prozent des Regenwaldes intakt.
Am Ende des Prozesses soll die Nutzung von 99 Prozent des Stadtgebietes von Gurupá durch kollektive Abkommen reguliert sein, damit dieser bescheidene Reichtum so lange wie möglich hält.
Niemand hier möchte nämlich seine Heimat gegen die Stadt tauschen. „Dort braucht man Geld zum Überleben“, meint Manuel Malheiro. "Hier muss man nur mit der Natur arbeiten, ohne sie zu zerstören. Dann hat man immer zu essen."