Langes Warten auf Herrn Higgs
8. Oktober 2013Kurz vor dem Mittagessen, um 11:45 Uhr deutscher Zeit sollte das Nobelpreiskomitee am Dienstag (08.10.2013) vor die Presse treten, um bekanntzugeben, wen es für den Physik-Nobelpreis für würdig hält. Doch diesmal war alles anders: Der Mittag kam, und nichts passierte. Die Jury verhandele noch, ließ die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften in Stockholm verlauten.
"Higgst Du schon?"
Die Welt wartete gespannt. Warum dauerte das so lange? Und würde es dieses Jahr wirklich Peter Higgs werden, der schottische Physiker von der Universität Edinburgh, der bereits 1964 die Existenz des mysteriösen Higgs-Teilchens voraussagte?
"So viel ich weiß, wurde Higgs schon vor mindestens 20 Jahren zum ersten Mal vorgeschlagen", sagte Franz Muheim, Physik-Professor an der Universität Edinburgh im DW-Interview. Aber erst nachdem im vergangenen Jahr Physiker des Europäischen Kernforschungszentrums CERN die Existenz des Higgs-Teilchen nachgewiesen hatten, wurden die Spekulationen mit beiden Händen greifbar. Selten hatte es einen so klaren Favoriten für einen wissenschaftlichen Nobelpreis gegeben. Und selten eine so lange Verzögerung bei der Bekanntgabe.
Auf dem Nachrichtendienst Twitter spekulierte die Welt, was denn nun los sei. "Higgst Du schon?" machte als Wortspiel die Runde.
Große Ehrung für etwas Klitzekleines
Dann endlich, um 12:45 Uhr - eine Stunde nach dem angesetzten Termin - verkündete Staffan Normark, Ständiger Sekretär der Wissenschaftsakademie, recht atemlos: "Dieses Jahr dreht sich der Nobelpreis um etwas sehr Kleines, das den großen Unterschied macht." Mit anderen Worten: Ja, Higgs ist der neue Physiknobelpreisträger. Aber er ist es nicht alleine.
Neben dem weltberühmten Peter Higgs wurde auch der weniger bekannte Belgier François Englert von der Freien Universität Brüssel ausgezeichnet. Denn auch er hatte etwa zur gleichen Zeit, unabhängig von Higgs, die Existenz des besagten Teilchens theoretisch vorhergesagt. Er versank aber abseits der Community der Teilchenphysiker in Vergessenheit. Denn seinen Namen erhielt das Teilchen nach Peter Higgs - "vermutlich, weil mein Name einfach griffiger ist", hat Higgs einmal vermutet.
Unbändige Freude
"Ich bin sehr glücklich", sagte François Englert, dem das Nobelpreiskomitee live am Telefon zu seiner Auszeichnung gratulierte. Peter Higgs hingegen war telefonisch zunächst nicht zu erreichen - und das, wo doch die ganze Welt ihn hören wollte. Schließlich ist Peter Higgs schon fast so bekannt wie ein Filmstar. Aber der 84-jährige Physiker schätzt den Medienrummel nicht sehr. Fast könnte man spekulieren, er habe absichtlich nichts von sich hören lassen.
Über die Universität Edinburgh gab es dann aber doch Nachricht von Higgs: "Ich bin überwältigt, diese Auszeichnung zu bekommen", heißt es auf der Webseite. "Und ich würde gerne denen gratulieren, die bei der Entdeckung des Teilchens mitgewirkt haben."
Tatsächlich jubelten die Forscher am CERN nach der Bekanntgabe fast so, als hätten auch sie den Nobelpreis bekommen. "Woohoo!" ließ das CERN auf Twitter verlauten. "Das ist ein großer Tag!", sagte Rolf-Dieter Heuer, Generaldirektor vom CERN.
Offiziell vergibt das Komitee den Nobelpreis für die theoretische Entdeckung des Higgs-Teilchens und des Mechanismus, mit dem es anderen Teilchen Masse verleiht. Aber ohne experimentelle Bestätigung der CERN-Forscher hätte es vermutlich auch keinen Nobelpreis für Higgs und Englert gegeben.
Träume werden manchmal wahr
"Die Entdeckung des Higgs-Teilchens ist ein Triumph für die Experimentalphysik, aber auch für die theoretische Physik", sagt Franz Muheim. "Es hat zwar 48 Jahre gedauert, aber eine Voraussage ist wahr geworden."