Königsschwester auf der Anklagebank
22. Dezember 2014Seit Montag warten viele Spanier noch ungeduldiger auf Heilig Abend als sonst: Sie sind gespannt auf die traditionelle Weihnachtsansprache ihres Königs. Nicht nur, weil es die erste des neuen Monarchen ist, sondern auch weil sie wissen wollen, ob Philipp VI. sich zum seit 2011 schwelenden Korruptionskandal um seine Schwester Cristina und deren Ehemann äußert.
Dass er sich schützend vor sie stellt, ist nicht zu erwarten, denn der als integer geltende Philipp kämpft seit seiner Vereidigung im Juni 2014 für mehr Transparenz in der Politik. "Philipp ist bereits vor Jahren auf Distanz zu Cristina und ihrem Ehemann gegangen", sagt die Journalistin Carmen Enríquez, die das spanische Königshaus 37 Jahre lang als Korrespondentin begleitete.
Seit Montag (22.12.2014) hat der Skandal jedoch eine neue Qualität: Die spanische Infantin Cristina von Bourbon muss sich wegen Beihilfe zum Steuerbetrugs tatsächlich vor Gericht verantworten.
Infantin unter Anklage
Der 49-jährigen Herzogin von Palma wird zur Last gelegt, sie habe von illegalen Aktivitäten ihres Ehemannes Iñaki Urdangarín gewusst: Der 170-fache Handballnationalspieler Urdangarín ist einer der Hauptangeklagten in einem Korruptionsprozess, in dem rund 20 Personen unter Anklage stehen. Die sollen vier Millionen Euro aus einer Stiftung veruntreut haben, die Urdangarín von 2004 bis 2006 leitete.
Zunächst sah es aus, als bliebe Cristina ein Prozess erspart, denn sowohl die Antikorruptions- als auch die Finanzbehörde sahen davon ab, die Herzogin anzuklagen. Und das, obwohl sie zur fraglichen Zeit im Aufsichtsrat der Firma saß, über die das abgezweigte Geld geflossen sein soll. Der zuständige Richter José Castro bestand nun auf einer Anklage. Er geht davon aus, dass Cristina von den mutmaßlichen Machenschaften ihres Ehemannes gewusst haben muss.
Dem herzoglichen Paar drohen hohe Haftstrafen. Die Antikorruptionsgewerkschaft "Manos Limpias" (auf deutsch.: saubere Hände) fordert 19,5 Jahre für Urdangarín und acht Jahre für die Infantin Cristina.
Vertrauenskrise in Spanien
Der Prozess gegen Cristina, Nummer sechs der spanischen Thronfolge, ereignet sich in einer schwierigen Zeit: Nicht nur wirtschaftlich bleiben die Aussichten für Spanien durchwachsen. Mehr und mehr Spanier sind überzeugt, dass sich die gesamte politische Klasse des Landes auf Kosten der Bevölkerung bereichert. Derzeit laufen im ganzen Land rund 1700 Korruptionsfälle.
Betroffen sind vor allem die beiden großen Parteien des Landes, die sozialdemokratische PSOE und die konservative PP. In Umfragen verlieren sie nahezu wöchentlich an Zustimmung. Gewinner dieser Stimmung ist die Linksaußen-Partei Podemos, deren Vorsitzender Pablo Iglesias bei jeder Gelegenheit die Verfehlungen der etablierten Parteien herunterbetet. Mit großem Erfolg: Die Gründung der Partei liegt nicht einmal ein Jahr zurück. In Umfragen kommt sie auf ein Viertel der Stimmen und liegt damit als zweitstärkste Kraft fast gleich auf mit der Regierungspartei PP.
Die politische Schwäche der Regierungspartei geht einher mit einem massiv erstarkenden Separatismus. Anfang November hielten katalanische Parteien ein verfassungswidriges Referendum zur Unabhängigkeit Kataloniens von Spanien ab, ohne dass die Zentralregierung interveniert hätte.
König kämpft gegen Korruption
Einst galt die Monarchie als stabilisierende Kraft der jungen Demokratie in Spanien, weil Philipps Vater, König Juan Carlos I., Spanien aus der Franco-Diktatur in die Demokratie geführt hatte. Nachdem er 1983 einen Militärputsch abgewendet hatte, räumten selbst überzeugte Republikaner der Monarchie eine positive Rolle ein. Mit zahlreichen Eskapaden ruinierte Juan Carlos seinen Ruf bei der Bevölkerung, und eine wachsende Zahl von Spaniern begann, die Abschaffung der Monarchie zu fordern.
Im Juni 2014 dankte Juan Carlos zugunsten seines Sohnes ab. Seither versucht Philipp, durch Bekämpfung der Korruption das verlorene Vertrauen in die konstitutionelle Monarchie zurückzugewinnen. Dabei setzt er vor allem auf Transparenz: Erst kürzlich hat er kostspielige Weihnachtsgeschenke von Privatpersonen für Mitglieder des Königshauses verboten und angekündigt, im Januar eine Liste mit sämtlichen Gaben zu veröffentlichen.
Nun wird mit Spannung erwartet, wie er sich zu der Anklage seiner Schwester positioniert. Schließlich würde eine Verurteilung der Infantin denjenigen Recht geben, die schon immer wussten, dass es auch in der Königsfamilie Korruption gibt.
"Ein sauberes Gerichtsverfahren würde Philipps Kampf gegen Korruption Glaubwürdigkeit verleihen", sagt Enríquez. Und sie würde diejenigen Lügen strafen, die behaupten, dass die Justiz vor dem Adel haltmache.