Juan Carlos dankt ab
2. Juni 2014Am 22. November 1975 trat ein leichenblasser Juan Carlos vor das spanische Parlament. Die "Cortes" waren damals eine Versammlung altgedienter Anhänger des erst zwei Tage zuvor verstorbenen Diktators Francisco Franco. Sie proklamierten den unsicher in die Runde blickenden 37-jährigen Juan Carlos zum König. Dabei war er für die meisten ein undisziplinierter und weicher Dandy. Viele witterten damals schon die neue Zeit, die Demokratie, was für sie ein Verrat am Diktator war. Doch für Spaniens Demokraten, viele davon noch im Exil, war Juan Carlos der Nachfolger Francos. Kaum zehn Prozent der Spanier erkannten ihn als ihren König an.
Juan Carlos war klar, dass Spanien nicht für alle Zeit anders sein konnte, wie es die Tourismuswerbung mit ihrem Slogan "Spain is different" vorgab, sondern sich einreihen musste in das Konzert der westeuropäischen Demokratien. Dafür wählte er einen Kapitän aus. Der König ernannte Adolfo Suárez, selbst ein Kind des Regimes, zum Ministerpräsidenten. Gemeinsam steuerten sie Spanien gegen heftige Widerstände der Militärs und unter dem Bombenterror der ETA in die Demokratie.
Der Widerstand gegen die Militärs machte ihn populär
Nach und nach erkannten alle Parteien, die Nachfolgeparteien des Franco-Regimes wie auch die linke Opposition, die Vermittlerrolle des Königs an. Nicht einmal die überzeugtesten Anhänger einer Republik stellten damals die Monarchie als Staatsform in Frage. "Unsere Frage war: Demokratie oder Diktatur? Nicht Republik oder Monarchie!", begründete der spätere langjährige Regierungschef Felipe González diese Haltung später.
Noch einmal, 1981, schritt der König entschlossen für die Demokratie ein. Am 23. Februar 1981 stürmte eine Bande betrunkener Guardia-Civil-Beamten das spanische Parlament und schoss dort wild um sich. Panzer rollten durch Valencia. Der Staatsstreich brach erst zusammen, als Juan Carlos in einer Fernsehansprache das Militär aufforderte, sich auf die Seite der demokratischen Verfassung zu stellen. Damit war der Spuk zu Ende, die spanische Demokratie endgültig gefestigt und die Sympathiewerte von Juan Carlos stiegen auf 80 Prozent.
Skandale kratzten am Image des Monarchen
Jetzt, wo Juan Carlos abdankt, erinnern sich die Spanier wieder an diese Leistungen. Sie hatten nie viel Glück mit ihren Königen. Im Kampf um Liberalismus und Fortschritt standen Spaniens Könige selten auf der Seite ihres Volkes. Juan Carlos hingegen war der beste König, den Spanien je hatte, analysierten politische Kommentatoren.
Doch sein Image ist angeschlagen. Da ist die Elefantenjagd von 2012. Auf dem Höhepunkt der spanischen Wirtschaftskrise flog der Monarch nach Botswana zur Jagd. Die Reise soll mehrere zehntausend Euro gekostet haben. Erstmals entschuldigte sich Juan Carlos in einer öffentlichen Ansprache: "Es tut mir leid. Es wird nicht wieder geschehen." Im Zusammenhang mit der Reise wurde auch noch seine außereheliche Beziehung zur deutschen Prinzessin Corinna zu Sayn-Wittgenstein bekannt. Juan Carlos war als Schürzenjäger bekannt, man nahm es hin, doch nie wurde darüber berichtet. Diesmal wurde das Tabu gebrochen.
König Felipe muss die Monarchie reformieren
Die Umfragewerte von Juan Carlos sanken weiter, als bekannt wurde, dass sein Schwiegersohn Iñaki Urgandarin Kommissionen in Milliardenhöhe für die Vermittlung von Sportevents von öffentlichen Verwaltungen kassierte und dabei auch noch Steuern hinterzogen haben soll. Auch Königstochter Cristina wurde in das Verfahren hineingezogen. Die Spanier begannen, die Monarchie als ebenso korrupt zu bewerten, wie die gesamte Politik, den Justizapparat oder auch die Presse. Das staatliche Meinungsforschungsinstitut CIS bittet die Spanier seit Jahren, auch ihre Monarchie auf einer Skala von eins bis zehn zu bewerten. Zuletzt gaben sie der Monarchie nicht mal mehr eine Vier. In der Schule ist damit die Versetzung gefährdet. Nicht einmal der lange als so vorbildlich gepriesene Übergang von der Diktatur zur Demokratie ist mehr unumstritten. Die Opfer des Franco-Regimes seien dabei vergessen worden, klagen sie.
Zuletzt hatte das Königshaus bei einem Treffen mit Korrespondenten noch beteuert, der Monarch sei voller Tatendrang und wolle keinesfalls abdanken. Jetzt spricht Juan Carlos selbst von einem fälligen Generationswechsel. Sohn Felipe wird es auf dem Thron schwer haben, das Ruder herumzureißen. Spanien steht vor einer harten Zerreißprobe. Das Vertrauen der Spanier in ihre Repräsentanten ist erschüttert, in die Parlamente, die Parteien, die Behörden. Viele Spanier wollen nicht einmal mehr Spanier sein, so etwa viele Menschen in Katalonien. Nach der Abdankung von Juan Carlos kam es im ganzen Land zu Kundgebungen für eine Verfassungsänderung, zugunsten einer Republik. Die Demonstranten sollten nicht vergessen: Auch auf ihrer Seite stehen nur 40 Prozent der Spanier – ein Konsens zugunsten einer neuen Staatsform ist das nicht.