1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Kurskorrektur in der Syrienpolitik

Barbara Wesel12. Oktober 2015

Friedensverhandlungen für eine politische Lösung in Syrien haben bei den EU-Außenministern hohe Priorität. Inzwischen wollen sie dafür auch mit der Regierung Assad und Moskau verhandeln. Barbara Wesel, Luxemburg.

https://p.dw.com/p/1GmuS
Die Außenminister Szijjarto (Ungarn), Steinmeier (Deutschland) und Asselborn (Luxemburg), Foto: epa
Die Außenminister Szijjarto (Ungarn), Steinmeier (Deutschland) und Asselborn (Luxemburg)Bild: picture-alliance/dpa/J. Warnand

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier ist so ehrlich, die Gründe für die plötzliche Aktivität der Europäer in der Syrienfrage offen anzusprechen: "Das Management der Migration (in der EU) ist das eine, die Bekämpfung der Fluchtgründe das andere", und da sei es vor allem der Krieg in Syrien, für dessen Beendigung man jetzt einen erneuten diplomatischen Vorstoß machen will. Die neue gemeinsame Linie heißt dabei, dass die EU bereit ist mit allen Akteuren in dem seit fünf Jahren wütenden Konflikt, auch mit Vertretern der Regierung Assad zu reden.

Der britische Außenminister Philip Hammond etwa formulierte, man sei weitgehend flexibel, was die Art des Abgangs von Assad und dessen Zeitpunkt angehe. Er könnte danach durchaus noch Teil einer Übergangsregierung sein. Die gemeinsame Erklärung der Außenminister hält aber auch fest, dass es keine dauerhafte Friedenslösung mit Assad geben könne. Vermeiden wollen die Europäer aber auf jeden Fall den totalen Zusammenbruch des Systems und ein Machtvakuum wie nach dem Sturz Gaddafis in Libyen - bloß nicht alle Strukturen zerschlagen, heißt die neue Devise.

EU kritisiert Russland wegen Bombenangriffen

Das militärische Eingreifen Russlands hat "eine schwierige Situation noch komplizierter gemacht", sagt Steinmeier zur russischen Luftoffensive in Syrien. Er und seine europäischen Kollegen fordern Moskau auf, die Angriffe auf moderate Oppositionsgruppen sofort einzustellen, denn sie verschlimmerten die humanitäre Situation und beförderten die Radikalisierung. Stattdessen fordern die Außenminister, Putin solle an einer politischen Lösung mitarbeiten.

Und eine Mehrheit von ihnen glaubt, dass der russische Präsident dem nicht prinzipiell abgeneigt sei: Der Grund für sein militärisches Engagement sei zwar, das Assad-Regime zu stärken. Darüber hinaus aber gehe es Russland vor allem darum, als Akteur mit am Tisch zu sitzen. Die Europäer setzen darauf, dass Putin kein Interesse an einer längerfristigen Verstrickung in den Krieg in Syrien hat. Außerdem bewerten sie positiv, dass noch Kommunikationskanäle offen seien: Seit einigen Tagen würden russische Vertreter mit ihren US-Kollegen zumindest Absprachen über militärische Aktionen treffen. Der schlimmste Fall, dass der eine über Syrien die Kampfjets des anderen vom Himmel holt, soll vermieden werden.

Politik der kleinen Schritte

Wenn das Kalkül der EU-Außenminister aufgeht, dann ist nach diesem Kurswechsel hin zu einer "inklusiven" Verhandlungsstrategie zumindest klar, wer die Partner am Verhandlungstisch sein sollen: Die USA, Russland, Vertreter der Assad-Regierung, möglichst vereinte gemäßigte Oppositionsgruppen, und die sogenannten regionalen Player Türkei, Iran und Saudi Arabien. Wobei klar ist, dass es nie ein Familienfoto mit dem Diktator Assad selbst und europäischen Verhandlungspartnern geben wird: Er soll Vertreter entsenden, die Gespräche über den UN-Vermittler Staffan de Mistura laufen.

"Eine große Lösung wird nicht vom Himmel fallen", schränkt Steinmeier dabei ein. Es gibt also keine Illusionen bei der EU, dass die verhärteten Fronten schnell aufzuweichen und eine Lösung in Sicht sei. Man müsse mit kleinen Schritten anfangen, und die Flüchtlingswelle verschaffe den Europäern die Legitimation, diesen Prozess anzustoßen und ihn zu begleiten. Als ersten dieser kleinen Schritte schlägt der Bundesaußenminister vor, der bereits beschlossenen UN-Resolution gegen den Einsatz von Fassbomben zur Umsetzung zu verhelfen. Russland müsste also in einer Art ersten Geste des guten Willens Druck auf Assad ausüben, die mörderischen Bombardements einzustellen, die vor allem Opfer in der Zivilbevölkerung fordern.

Auch wenn die EU jetzt ihren Kurs gegenüber dem Assad-Regime korrigiert und für eine politische Lösung mit allen Gruppen in Syrien verhandeln will: "Gespräche mit Assad bringen nicht die entscheidende Lösung", betont Steinmeier. Das wichtigste sei, regionale Interessenunterschiede auszugleichen und die total gestörten Beziehungen zwischen Iran und Saudi-Arabien zu reparieren. Darin liege derzeit das größte Hindernis. Er bemühe sich da Brücken zu bauen - am Wochenende wird Steinmeier in beide Hauptstädte reisen.