Protest gegen hohes Strafmaß für Steudtner
9. Oktober 2017Regierungssprecher Steffen Seibert brachte das "völlige Unverständnis der Bundesregierung" zum Ausdruck: Solche Forderungen seien nicht akzeptabel und vollkommen unverständlich, sagte er. "Wir erwarten von der Türkei, dass die deutschen Staatsangehörigen, die aus nicht nachvollziehbaren Gründen inhaftiert sind, freigelassen werden." Dafür werde sich die Bundesregierung mit allen Möglichkeiten einsetzen. Außenminister Sigmar Gabriel hatte sich bereits am Sonntagabend besorgt geäußert.
Mitglied einer Terrororganisation?
Der für Amnesty International tätige Peter Steudtner sitzt seit gut drei Monaten in der Türkei in Haft. Zusammen mit weiteren Menschenrechtlern war er am 5. Juli bei einem Seminar auf der Istanbul vorgelagerten Insel Büyükada festgenommen worden. Am Sonntag war bekannt geworden, dass die Staatsanwaltschaft Anklage gegen insgesamt elf Personen wegen Mitgliedschaft und Unterstützung einer Terrororganisation erhoben hat. Das mögliche Strafmaß soll Medienberichten zufolge 15 Jahre Haft betragen.
Scharfe Kritik daran kam auch aus den Reihen der Linken und der Grünen in Deutschland. Im Deutschlandfunk forderte die Linken-Politikerin Sevim Dagdelen, unter diesen Umständen dürfe die Türkei kein Partner der Bundesregierung sein. Für Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) ist die derzeitige Entwicklung ein "Beweis für die massive Erosion rechtsstaatlicher Normen unter Präsident Recep Tayyip Erdogan".
Faustpfand der Regierung in Ankara
Auch die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di reagierte mit Unverständnis. Sowohl Steudtner als auch die ebenfalls inhaftierten Journalisten Deniz Yücel und Mesale Tolu seien "zum Faustpfand einer Regierung geworden, die Demokratie und Rechtsstaatlichkeit mit den Füßen tritt", sagte der stellvertretende Ver.di-Vorsitzende Frank Werneke.
Die Pfarrerin an der evangelischen Gethsemanekirche, Almut Bellmann, sagte die Gemeinde schwanke zwischen Entsetzen und Hoffnung. In der Gemeinde im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg gibt es seit Juli immer montags Fürbittandachten sowie täglich Gebete für Steudtner und seine Mitgefangenen.
uh/sti (dpa, epd)