Türkei: 15 Jahre Haft für Steudtner gefordert
8. Oktober 2017Rund drei Monate nach seiner Festnahme fordert die türkische Staatsanwaltschaft laut Medienberichten 15 Jahre Haft für den inhaftierten deutschen Menschenrechtsaktivisten Peter Steudtner (Artikelbild). Dieselbe Strafe verlangte die Behörde auch für Steudtners schwedischen Kollegen Ali Gharavi, für die Direktorin der türkischen Sektion von Amnesty International, Idil Eser, und acht weitere Aktivisten.
Der Vorwurf gegen sie laute auf Mitgliedschaft in einer "bewaffneten Terrororganisation" sowie Hilfeleistung für eine solche Gruppe, berichteten mehrere türkische Medien. Steudtner, Idil und Gharavi waren am 5. Juli auf der Insel Büyükada vor Istanbul während eines Seminars für türkische Menschenrechtsaktivisten festgenommen worden.
Bundesaußenminister Sigmar Gabriel hat die Haftforderung der türkischen Staatsanwaltschaft für Steudtner scharf kritisiert. 15 Jahre Haft seien "vollkommen unverständlich und nicht akzeptabel", erklärte Gabriel. Die Terrorvorwürfe gegen Steudtner seien "absolut nicht nachvollziehbar".
Elf Deutsche in der Türkei inhaftiert
Die Angeklagten sitzen im Gefängnis Silivri westlich von Istanbul ein, in dem auch der "Welt"-Korrespondent Deniz Yücel inhaftiert ist. Ebenfalls in Haft ist die deutsche Übersetzerin Mesale Tolu. Der Prozess gegen sie beginnt nächste Woche. Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu hatte erst kürzlich in einem Interview des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" gesagt, dass er sich für eine Beschleunigung des Verfahrens von Steudtner einsetzen werde.
Gleichzeitig hatte sich Cavusoglu für eine Verbesserung der Beziehungen zu Deutschland ausgesprochen, wobei er der deutschen Seite die Schuld für die derzeitige Krise gab. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan habe stets nur auf Attacken aus Deutschland reagiert.
Deutschland will EU-Beitrittsverhandlungen mit Ankara ausbremsen
Die Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei sind unter anderem wegen der Inhaftierung von insgesamt elf Deutschen angespannt. Die Bundesregierung hatte ihren Kurs in der Türkeipolitik im Juli verschärft, um die Inhaftierten freizubekommen. Unter anderem will sie versuchen, die EU-Beitrittsverhandlungen mit Ankara auszubremsen. Beim EU-Gipfel Ende Oktober soll die EU-Kommission auf Wunsch Deutschlands und anderer Länder offiziell bewerten, ob die Türkei die Kriterien für Beitrittskandidaten erfüllt, wie EU-Diplomaten bestätigten. Fällt der Bericht wie erwartet negativ aus, wächst der Druck, die derzeit ruhenden Verhandlungen mit der Türkei zu beenden. Bisher zeichnet sich in der EU aber keine Mehrheit dafür ab.
cw/fab (afp, dpa, epd)