Kritik an EU-Schutzzöllen
19. Juli 2018Seit diesem Donnerstag droht Stahlimporten, die wegen der US-Zölle zusätzlich in die Europäische Union kommen, eine weitere Abgabe in Höhe von 25 Prozent. Die Maßnahme soll vor allem die heimische Stahlbranche vor einer möglichen Stahlschwemme aus China schützen. Sie sind für den Fall gedacht, dass Stahlproduzenten - vor allem aus China - ihre Produkte, die sie wegen der US-Strafzölle nicht mehr in den USA loswerden, auf den europäischen Markt werfen. An der Verzollung der bisherigen StahliImport-Mengen ändert sich mit den neuen Schutzzöllen nichts. Die Maßnahme betrifft nur den Stahl, durch dessen Import die Durchschnittsmenge der vergangenen drei Jahre übertroffen wird. So soll verhindert werden, dass auf Stahlimporte angewiesene Autobauer und Bauunternehmen unter den Schutzmaßnahmen leiden, weil sich die Preise erhöhen.
Der europäische Fahrzeugherstellerverband Acea ist trotzdem nicht gerade glücklich über die Brüsseler Entscheidung. Wegen einer steigenden Stahlnachfrage müsse man trotz der Freimengen mit steigenden Preisen rechnen. "Diese Maßnahmen werden unsere Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigen", kommentierte Acea-Generalsekretär Erik Jonnaert. In Europa seien die Stahlpreise schon jetzt sehr hoch.
EU sieht "Umlenkung der Handelsströme"
EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström sprach hingegen von einer Entscheidung, die das richtige Gleichgewicht zwischen den Interessen der europäischen Stahlproduzenten und Stahlkonsumenten herstellen solle. "Die US-Zölle auf Stahlprodukte verursachen eine Umlenkung der Handelsströme, die europäischen Stahlproduzenten und Arbeitern ernsthaften Schaden zufügen könnte", erklärte sie. Der EU sei deswegen nichts anderes übrig geblieben, als mit vorläufigen Schutzmaßnahmen zu reagieren.
Zufrieden ist dagegen die Wirtschaftsvereinigung Stahl, die darauf hinweist, dass in den ersten fünf Monaten des Jahres der Importdruck auf dem EU-Stahlmarkt "massiv" angestiegen sei. Hochgerechnet bis zum Jahresende kämen 47,8 Millionen Tonnen Stahl in die EU, hieß es. Das wären 18 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Stahl-Verbands-Chef Hans Jürgen Kerkhoff begrüßte die EU-Maßnahmen als ein "klares Zeichen" um die Industrie vor den Folgen des Protektionismus zu schützen. "Die EU muss ihren Weg nun konsequent beibehalten und im nächsten Schritt auch endgültige Maßnahmen einführen", forderte Kerkhoff.
Die jetzt eingeführten EU-Schutzzölle sind sogenannte vorläufige Maßnahmen, die höchstens 200 Tage in Kraft bleiben können. Dauerhafte Schutzmaßnahmen könnten nach dem endgültigen Abschluss der derzeitigen Marktuntersuchung beschlossen werden. Diese soll nach Angaben aus der EU-Kommission spätestens Anfang 2019 enden.
Grund für die jetzt ergriffenen vorläufigen Maßnahmen sind Zwischenergebnisse, die deutlich zeigen, dass wegen der im März eingeführten US-Sonderzölle in Höhe von 25 Prozent mehr ausländische Stahlerzeugnisse in die EU gelenkt werden. Betroffen von den vorläufigen Maßnahmen sind 23 von 28 untersuchten Produktkategorien.
Ifo-Institut: "Mehr Schaden als Nutzen"
Besonders heftige Kritik kommt aus dem Ifo-Institut. Die Münchner Wirtschaftsexperten kritisieren die neuen EU-Schutzzölle auf Stahl- und Aluminiumprodukte als kontraproduktiv. "Sie richten mehr Schaden an als Nutzen", kritisierte Ifo-Außenwirtschaftschef Gabriel Felbermayr. "Die Schutzzölle sind keineswegs Ausdruck ökonomischer Vernunft, sondern der Lobbystärke der Stahlbranche." Zum einen schwäche die EU die Welthandelsorganisation WTO und die Allianz gegen die Handelspolitik von US-Präsident Donald Trump. "Gleichzeitig provoziert die EU, dass auch andere Länder Schutzzölle nach derselben Argumentation erlassen." Es käme laut Ifo faktisch zu einer "Renationalisierung des globalen Stahl- und Aluminiumhandels" mit 25 Prozent Importzöllen an allen maßgeblichen Grenzen.
"Leidtragende sind die stahlverbrauchenden Industrien und die Verbraucher, weil die Schutzzölle die Stahl- und Aluminiumpreise in die Höhe treiben", monierte Felbermayr. Das Argument, sich vor einer durch die US-Zölle auf Stahl und Aluminium bereits jetzt ausgelösten Importflut zu schützen, lasse sich mit aktuellen Zahlen nicht belegen. Weder Mengen noch Importwerte der mit Zöllen belegten Produkte hätten sich zu vergleichbaren Gütern auffällig entwickelt. "Es ist auch kein systematischer Preisverfall bei Importen zu erkennen." Weil die europäischen Handelsdaten erst bis April verfügbar sind, so Felbermayer, sei es noch viel zu früh, um mögliche Strukturänderungen zu erkennen.
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker führt zusammen mit anderen EU-Spitzenvertretern am 25. Juli in Washington Handelsgespräche mit dem US-Präsidenten. Mit dem Besuch will Juncker vor allem verhindern, dass Trump seine Drohung wahr macht und US-Importzölle auf Autos aus der EU verhängt.
Die US-Regierung lässt derzeit untersuchen, ob Autoimporte in die Vereinigten Staaten Fragen der Nationalen Sicherheit berühren. Eine ähnliche Untersuchung war auch die Grundlage für die Sonderzölle auf Stahl- und Aluminiumprodukte. Die EU hält das Sicherheitsargument für unglaubwürdig und geht davon aus, dass es eigentlich nur darum geht, US-Herstellern Vorteile zu verschaffen.
tko/zdh (rtr, dpa, afp)