Handelsallianz zwischen EU und China?
15. Juli 2018Donald Trump treibt mit seinen Angriffen auf das internationale Handelssystem seit Monaten die Handelspartner der USA um. Und deren Suche nach geeigneten Reaktionen ist bisher weitgehend erfolglos. Selbst die aktuelle Eskalation mit Wie-du-mir-so-ich-dir-Zöllen hat Washington nicht zum Einlenken bewegt.
Am kommenden Montag nun halten die beiden größten Handelspartner der USA, China und Europäische Union (EU), in Peking ihr jährliches Gipfeltreffen ab. Und neben Syrien-Krieg, Iran-Deal und Klimawandel stehen die globalen und bilateralen Handelsbeziehungen ganz oben auf der Agenda.
Gemeinsam gegen Zölle?
US-Zölle auf Aluminium und Stahl sowie die Androhungen weiterer Abgaben auf Automobilimporte haben europäische Handelspartner, allen voran Deutschland, in Aufruhr versetzt. Und auch China steht im Fadenkreuz der US-amerikanischen Außenhandelspolitik: Seit einigen Tagen müssen Importeure 25 Prozent des Warenwerts von 818 Gütern aus China abführen, deren Importvolumen sich auf rund 34 Milliarden US-Dollar (29 Milliarden Euro) beläuft.
Peking reagiert unmittelbar auf die Entscheidung und führte Zölle auf 545 US-Produkte in vergleichbarem Gegenwert ein. Man werde in dem Handelsstreit nicht nachgeben auch künftige US-Zölle Dollar für Dollar zu beantworten. Die könnten laut Ankündigungen aus Washington schon bald Importe von weit über 200 Milliarden US-Dollar (180 Milliarden Euro) betreffen.
Um dieser weiteren Eskalation entgegenzuwirken, könnte der chinesischen Führung daran gelegen sein, sich mit Brüssel gemeinsam gegen die unilaterale "America First"-Politik des US-Präsidenten zu stellen. Gemeinsam erzeugen China und die EU rund ein Drittel der weltweiten Wirtschaftsleistung und etwa die Hälfte des globalen Handelsvolumens.
Wesentliche Differenzen
Obwohl sie beim Welthandel sehr ähnliche Interessen verfolgen, glauben Beobachter nicht an eine europäisch-chinesische Allianz gegen die USA. Viel mehr als ein gemeinsames Bekenntnis zu einer regelbasierten Handelsordnung unter Aufsicht der Welthandelsorganisation (WTO) wird es demnach nicht geben.
Denn bei den Marktzugangsmöglichkeiten gehen die Vorstellungen in Peking und Brüssel weit auseinander. Erst kürzlich befanden die Autoren einer Studie im Auftrage der EU-Handelskammer in China, dass China "eine der restriktivsten Volkswirtschaften der Welt" sei. Europäische und amerikanische Unternehmen, die dort tätig sind, klagen seit langem über bürokratische Hürden, die sie behinderten und im Wettbewerb mit chinesischen Konkurrenten benachteiligten.
Die Probleme seien vielschichtig, sagt Kammerpräsident Mats Harborn. Es gebe zweideutige Gesetze, die Behörden würden - etwa beim Zugang zu Lizenzen, Finanzierungen oder öffentlichen Ausschreibungen - zwischen chinesischen und ausländischen Unternehmen unterscheiden: "Besonders hart trifft das kleine und mittlere Unternehmen, da sie nicht die gleichen finanziellen und personellen Mittel wie größere Mitbewerber haben."
Ein weiterer Stein des Anstoßes ist das geistige Eigentum: Die chinesische Regierung zwingt EU-Unternehmen geradezu, ihr Wissen nach China zu transferieren, indem sie etwa Partnerschaften mit chinesischen Unternehmen zur Voraussetzung für bestimmte Geschäftstätigkeiten im Land macht. Mit der ambitionierten Initiative "Made in China 2025" will Peking Chinas Technologierückstand zu den älteren Industrienationen aufholen: Von der Werkbank der Welt soll der asiatische Riese zum globalen Technologieführer in Bereichen wie Biomedizin, Robotik, IT, Luftfahrt und E-Mobilität aufsteigen. In der EU kritisieren Politiker und Manger das regelmäßig als intellektuelle Ausbeutung.
Chinas Expansion Richtung Westen
Auch Chinas Billionen-Investitionen in die "Gürtel-und-Straße-Strategie", mit der es zu Land und zu Wasser Handelsrouten nach Europa, Westasien und Afrika ausbauen will, stößt in der EU nicht auf ungeteilte Zustimmung.
Weiterer Stein des Anstoßes sind Pekings verstärkte Beziehungen zu einigen mittel- und osteuropäischen Ländern. In Brüssel befürchtet man, dieses Bestreben könnte die Einheit der EU gefährden: "Die Europäer hegen gewisse Bedenken gegen noch stärkere Wirtschaftsbeziehungen zu China", sagt Ding Chun, Leiter des Zentrums für Europa-Studien an der Fudan-Universität in Shanghai. "Pekings Wirtschaftskraft und die Konkurrenz aus China wachsen. Und mit dem Populismus nehmen in Europa auch die Bedenken gegenüber China zu."
Die gegenseitige Unzufriedenheit, meint Ding Chun, sei aber völlig normal zwischen zwei so großen Wirtschaftsmächten. Beide Seiten hätten ihre Forderungen, so der Wissenschaftler: China wolle, dass EU und USA ihm endlich den Status einer Marktwirtschaft zuerkennen. Die WTO hätte es dann genauso schwer, Strafen wie Antidumpingzölle gegen China zu verhängen, wie gegen die USA oder die EU.
"Ich hoffe, dass die EU und China signifikante Fortschritte in ihren Wirtschaftsbeziehungen machen, indem sie etwa die Verhandlungen für eine umfassende Investitionsvereinbarung vorantreiben", sagt Ding Chun. "Das wäre ein Beitrag zum Kampf gegen Protektionismus und würde beide Seiten, ja die ganze Welt, besser stellen."
Peking und Brüssel sind dabei ein Abkommen zu schließen, das Investoren beider Seiten mehr Rechtssicherheit und bessern Marktzugang garantieren soll. Beim letzten hochrangigen Treffen Ende Juni verständigte man sich darauf, politisch auf eine Beschleunigung des Prozesses hinzuwirken.
Die EU-Handelskammer sehe einem gut ausgehandelten Abkommen entgegen, das auf Bedenken aller Sektoren eingeht und transparentere, verlässlichere Rahmenbedingungen für Wirtschaftsunternehmen schafft, sagt der Kammervorsitzende Harborn: "Nun ist es an China, und die Regierung muss zeigen, dass sie vor Ende 2018 bereit ist, in eine entscheidende Verhandlungsphase einzutreten." Das würde ein klares Signal senden, dass China sein Versprechen einhalten will, seinen Markt zu öffnen. Verzögerungen, so Harborn, würden beiden Seiten schaden.